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Pandemiefolgen für Kinder : Kinder warten halbes Jahr auf Psychotherapie

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Heranwachsende leiden psychisch stark in der Pandemie. Eine neue Studie warnt: Das Versorgungssystem sei "am Limit". Die Wartezeit auf einen Therapieplatz habe sich verdoppelt.

Archiv: Ein kleines Mädchen sitzt allein auf dem Fußboden und hat den Kopf gesenkt.
Kinder und Jugendliche müssen noch länger auf einen Psychotherapie-Platz warten (Symboldbild).
Quelle: dpa

Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen: Das sind drei der häufigsten psychischen Leiden, mit denen Kinder und Jugendliche in Deutschland heute viel stärker zu kämpfen haben als vor Beginn der Corona-Pandemie.

Mehr Bedarf an Psychotherapie, längere Wartezeiten

Ein Forschungsteam der Universität Leipzig und der Universität Koblenz-Landau sieht das psychotherapeutische Versorgungssystem "am Limit". In einer Vorabpublikation einer gemeinschaftlichen Studie schreiben die Forschenden:

Es scheint, als könne der gestiegene Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung durch die bestehenden ambulanten Strukturen nicht ausreichend und zeitnah gedeckt werden.
Studie Uni Leipzig und Uni Koblenz-Landau

Bereits vor der Covid-19-Pandemie gab es etwa von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) deutliche Kritik an Systemdefiziten. Die Folgen für Kinder und Jugendliche sind offenbar vielerorts gravierend:

Nun haben sich die Wartezeiten für Erstgespräche und Therapieplätze nahezu verdoppelt.
Studie Uni Leipzig und Uni Koblenz-Landau

Studie: Kinder warten 25 Wochen auf Psychotherapie

Konkret bedeutet dies demnach: In den vergangenen sechs Monaten mussten Kinder und Jugendliche zehn Wochen auf ein Erstgespräch mit einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten warten. Vor der Pandemie betrug die Wartezeit fast sechs Wochen.

Noch länger ist der Studie zufolge die Wartezeit auf den Beginn der Psychotherapie: Diese sei von etwa dreieinhalb Monaten auf nunmehr ein halbes Jahr angewachsen.

Therapieanfragen "verzweifelter, drängender"

Dabei sei ein "zeitnaher" Therapiebeginn essenziell wichtig, um chronische Leiden und Begleitkrankheiten zu verhindern. Aufgrund des Leidensdrucks seien Therapieanfragen auch "verzweifelter, drängender" geworden, "bei vielen Familien liegen die Nerven blank", berichtet die Studie.

Mit Blick auf die Anzahl abgerechneter Therapiestunden vermag der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) bislang "nicht ableiten, dass es einen ungewöhnlichen oder starken Anstieg bei Kindern und Jugendlichen in psychotherapeutischer Behandlung gibt", wie ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands auf ZDFheute-Anfrage mitteilt.

Er schränkt allerdings ein, dass dem Verband "bislang nur die Daten für die erste Jahreshälfte" 2021 vorliegen.

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GKV-Spitzenverband: Mehr Transparenz von Therapeuten

Um die Suche nach Therapieplätzen zu erleichtern und Wartezeiten zu verkürzen braucht es laut GKV-Spitzenverband "mehr Transparenz über die Anzahl freier Therapieplätze".

Die Praxen seien bislang nicht verpflichtet, bei den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen freie Plätze zu melden.

Dagegen weisen die Forschenden aus Leipzig, Koblenz und Landau, die Bundespsychotherapeutenkammer und die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) darauf hin, dass der Bedarf an Therapie in bestimmten Regionen Deutschlands das Angebot stark übersteige.

Vor allem in ländlichen Gebieten in Ost und West, aber auch im dichtbesiedelten Ruhrgebiet mangele es an Therapieplätzen, berichtet DGVT-Juristin Kerstin Burgdorf im ZDFheute-Gespräch.

Forderung nach Reform der "Bedarfsplanung"

In manchen Regionen gebe es eine "Verdopplung der Therapieanfragen" gegenüber der Zeit vor Pandemie-Beginn, so Burgdorf. Sie fordert deshalb eine Reform der sogenannten psychotherapeutischen Bedarfsplanung. Konkret: Ein Orientieren am tatsächlichen Bedarf. Denn:

Das Warten auf einen Therapieplatz, wenn man ihn eigentlich sofort bräuchte, ist verbundenen mit großem Leidensdruck bei den Kindern und Familien.
Kerstin Burgdorf, Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie

Ob es zu dem geforderten, stärkeren Therapieangebot kommt, ist ungewiss.

Psychotherapiebedarf seit Jahren stark gestiegen

Auf Anfrage verweist das Bundesgesundheitsministerium darauf, dass die Zahl der zugelassenen Psychotherapeuten in den vergangenen Jahren bereits kontinuierlich angestiegen sei, von 23.622 im Jahr 2011 auf 35.872 im Jahr 2020.

Ein vergleichbares Wachstum konnte in den vergangenen Jahren für keine andere Arztgruppe festgestellt werden.
Sprecherin Gesundheitsministerium

"Junge Menschen schon vor Pandemie schlecht versorgt"

Dr. Felicitas Bergmann, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin aus Essen und Initiatorin des Projekts "Kassenwatch" in der DGVT, kritisiert allerdings, dass eine adäquate psychotherapeutische Hilfe für Kinder und Jugendliche schon vor der Pandemie "systematisch verschleppt" worden sei "und junge Menschen besonders schlecht versorgt waren".

Die Pandemie-Folgen für viele Kinder und Jugendliche betrachtet Dr. Bergmann als "besonders verheerend". Sie fordert deshalb:

Statt auf Zeit zu spielen, sollten die gesetzlichen Krankenkassen jetzt all ihre Möglichkeiten nutzen, um Kindern und Familien in Not zu helfen.
Dr. Felicitas Bergmann, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Auf dem Foto ist ein Mann zu sehen, der auf einer Bettkante sitzt. Beide Arme halten seinen Kopf.

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31.05.2023
von Sven Rieken
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