Zwei Millionen Corona-Patienten warten in Deutschland noch immer auf ein Ende ihres Leids. Noch gibt es kein Medikament, aber andere Therapie-Ansätze.
Andreas Winter ist verzweifelt. Zwei Mal hatte sich der 37-Jährige mit Corona angesteckt, jetzt leidet er unter den Spätfolgen: Atemnot, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Vergesslichkeit. Jeder Tag sei eine Qual, so der Marketingmanager:
Long-Covid diagnostizieren und effektiv therapieren
Seit kurzem nimmt er an der Studie „disCOVer - diagnosis Long-COVID“ der Uni-Klinik Erlangen teil. In aufwendigen Untersuchungen wollen Ärzte und Wissenschaftler die Ursachen der Beschwerden klären - hat das Virus je den Körper des Long-Covid-Patienten verlassen, hat es Organschäden verursacht hat spielt sein Immunsystem verrückt. Ein wesentlicher Baustein ist dabei die Blut-Analyse.
Blutzellen von Covid-Patienten scheinen weniger elastisch, können den Sauerstoff vermutlich schlechter durch die Blutbahnen transportieren. Eine mögliche Erklärung von typischen Long-Covid-Symptomen wie Kurzatmigkeit, Müdigkeit oder Abgeschlagenheit, so Biologe Max Kräter vom Max-Planck-Institut Erlangen, "da gegebenenfalls die roten Blutzellen nicht mehr durch die feinsten Kapillaren passen und ihre Aufgabe somit nicht mehr erfüllen können."
Mehr als zwei Millionen Menschen leiden unter Long Covid. Während man immer mehr über die Folgen einer Corona-Erkrankung herausfindet, dauert die Zulassung erster Medikamente an.
Neben der Untersuchung seiner Augen auf mögliche Durchblutungsstörungen werden auch die kognitiven Fähigkeiten von Andreas Winter getestet. "Aus den Untersuchungen sammeln wir einzelne Puzzlestücke", so Augenärztin Bettina Hohberger, "um daraus ein Krankheitsbild zu generieren und den Patienten entsprechenden Therapien zu raten."
Je nach Krankheitsbild raten die Mediziner zu Booster-Impfungen, um noch vorhandene Viren im Körper zu bekämpfen oder zu speziellen Rehabilitations-Maßnahmen bei Organ-Schädigungen. Bei Andreas Winter scheinen körpereigene Eiweißstoffe, sogenannte Autoantikörper, seinen Organismus anzugreifen.
Eine Infektion mit dem Coronavirus kann zu schweren gesundheitlichen Langzeitfolgen führen. Reha-Kliniken können den Betroffenen helfen.
Hilfreiches Herzmedikament noch nicht zugelassen
Was ihm helfen könnte ist ein Medikament, das diesen zerstörerischen Prozess ausschalten könnte. Sein Name: BC007. Bereits vor etwa einem Jahr mit guten Ergebnissen bei Testpersonen in Erlangen angewandt, ist das als Herzmedikament entwickelte Medikament noch nicht zugelassen. Woran liegt es? Frage an den Bundesgesundheitsminister:
Und das dauert. Bitter, denn noch scheint es kaum Alternativen zu geben. Deshalb, so Infektiologe Clemens Wendtner, "stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, Notfallzulassungen wie in den USA auszusprechen, um den Weg aus der Pandemie abzukürzen."
Zahlreiche Menschen leiden Wochen nach einer Infektion an großer Abgeschlagenheit - an Long Covid. Hoffnung macht nun eine Studie in Erlangen.
Therapie-Wege: Sauerstofftherapie, Blutwäsche und Kältekammer
Ein Medikament gegen Long-Covid gibt es also zunächst mal nicht. Die Folge: Die Betroffenen suchen nach anderen Therapie-Wegen von der Sauerstofftherapie über die Blutwäsche, bis hin zur Kältekammer. In ihrer Verzweiflung wird alles ausprobiert.
Regina Straub hat eine wahre Odyssee hinter sich. Nach ihrer Corona-Erkrankung bekam die 33-Jährige eine Herzmuskelentzündung. Sie hatte sich bereits aufgegeben:
- Vom Kampf gegen die Folgen von Long Covid
"Mir hat keiner geglaubt!" - In der zweiten Staffel der Doku "Herz & Viren" berichten zwei Jugendliche von ihrem Kampf gegen Long Covid und zurück ins Leben.
Was sie gerettet habe: die Post-Covid-Ambulanz im LMU Klinikum Großhadern, mit ihrem interdisziplinärem Versorgungskonzept mit ambulanten, aber auch tagestationären Behandlungen. "Da diese Krankheit den gesamten Menschen in all seiner Funktionsfähigkeit betrifft", so Eduard Kraft, der Leiter der Ambulanz, "haben wir gelernt, dass wir nur in einem integrierten Ansatz so eine Behandlung anbieten können."
Für Renate Straub wurde ein individuelles Programm entwickelt, von Sport über Physiotherapie bis hin zu Koordinations- und Konzentrationsübungen. Mit großem Erfolg. Nach drei Wochen geht es ihr erstmals wieder gut. Und Andreas Winter? Der Familienvater will nur eines: sein altes Leben wieder zurück.
Sibylle Bassler ist Reporterin im ZDF-Landesstudio München.