Bislang wurden in Deutschland 45 Millionen Impfzertifikate mehr ausgestellt als Impfdosen verimpft wurden. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Seit Beginn der Impfkampagne gegen das Coronavirus in Deutschland wurden mehr digitale Impfzertifikate ausgestellt, als Impfdosen verabreicht wurden. Darüber hatte zunächst die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet. Das Bundesgesundheitsministerium nennt auf ZDFheute-Anfrage die Zahl 204,7 Millionen Impfzertifikate, die - Stand 19. Januar 2022 - ausgestellt wurden. Bis zum gleichen Datum hat das Robert-Koch-Institut (RKI) aber nur 159,7 Millionen verabreichte Impfdosen registriert - ein "Überhang" von 45 Millionen Zertifikaten.
Viele Zertifikate mehrfach ausgestellt
Das Bundesgesundheitsministerium nennt für die Diskrepanz besonders Mehrfachausstellungen von Zertifikaten als Grund. Besonders zu Beginn der Anwendung von Impfzertifikaten seien viele der Dokumente durch Impfzentren erstellt und an die geimpften Personen verschickt worden, obwohl diese in vielen Fällen bereits ein Zertifikat in einer Apotheke ausgestellt bekommen hätten, so das Ministerium.
Außerdem würden Zertifikate auch dann mehrfach ausgestellt, wenn eine Person ihr Zertifikat verliert oder bei Zweit- oder Drittimpfungen fehlerhafte Angaben (etwa Namen, Impfdatum) vorgenommen wurden.
Ministerium: Rückschluss auf Fälschungen nicht möglich
Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der verabreichten Impfdosen und der ausgestellten Zertifikate könnte theoretisch auch durch eine große Zahl an Impfnachweis-Fälschungen zustande kommen. Ein Rückschluss darauf sei laut Bundesgesundheitsministerium jedoch "anhand dieser Zahlen nicht möglich".
Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Ministerien, Landeskriminalämtern oder Polizeibehörden hatte kürzlich ergeben, dass es bislang mindestens 20.000 Fälle von gefälschten Corona-Impfnachweisen gab. Hinzu kämen nicht entdeckte Fälschungen. Das tatsächliche Ausmaß der insgesamt im Umlauf befindlichen gefälschten Impfausweise könne nicht seriös beziffert werden, erklärte demnach die Polizei in Berlin.
Impfquoten laut RKI leicht unterschätzt
Ebenfalls denkbar wäre, dass der Überhang an Impfzertifikaten dadurch zustande kommt, dass verimpfte Dosen nicht als solche erfasst werden - die tatsächliche Zahl der verimpften Dosen in Wahrheit also höher ist als angegeben und somit näher an der Zahl der ausgegebenen Impfzertifikate liegt.
Das RKI weist zwar darauf hin, dass "bei den über das Digitale Impfquotenmonitoring erfassten Impfquoten von einer gewissen Untererfassung ausgegangen" wird. Die Unterschätzung liege aber in einem "tolerabel niedrigen Bereich".
KBV: Keine Informationen zu technischen Problemen
Mithilfe des digitalen Impfquotenmonitorings gehen Impfdaten von beispielsweise Impfzentren, Gesundheitsämtern und Krankenhäusern beim RKI ein. Für Vertragsärzte hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ein Meldeportal initiiert, von dem täglich Daten an das RKI gelangen. Auch die Privatärztlichen Abrechnungsstellen (PVS) haben ein solches Portal eingerichtet. Der KBV liegen auf Anfrage "keine aktuellen Informationen" vor, dass es von Seiten der Arztpraxen technische Probleme bei der Übermittlung der Daten gibt oder manche Praxen das Meldeportal nicht konsequent nutzen.
Seit Pandemiebeginn wurden dem RKI (Stand 19. Januar 2022) durch Impfzentren, mobile Teams und Krankenhäuser 77 Millionen Corona-Impfungen gemeldet. Durch Arztpraxen (Vertragsärzte und Privatärzte) waren es 78,4 Millionen und durch Betriebsärzte 3,4 Millionen Impfungen.
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