Weniger Bahnfahrten und Flüge, mehr Auto: Die Mobilität der Deutschen hat sich während der Corona-Pandemie massiv verändert, zeigen aktuelle Daten, die ZDFheute exklusiv vorliegen.
Vor allem in der ersten und zweiten Corona-Welle sind die Menschen in Deutschland weniger unterwegs gewesen als noch vor Corona. Mittlerweile sind sie jedoch wieder hochmobil, auf einem ähnlichen Niveau wie 2019.
Was sich verändert hat, ist die Wahl der Verkehrsmittel: "Man kann erkennen, dass das Auto der deutliche Gewinner ist und der öffentliche Verkehr durch die Pandemie verloren hat", sagt Claudia Nobis, Verkehrsforscherin am Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Der öffentliche Verkehr leidet unter der Corona-Pandemie
Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist seit Beginn der Pandemie stark zurückgegangen:
- Nach den neuesten Daten des DLR, die ZDFheute exklusiv vorliegen, nutzen nur noch neun Prozent der Menschen ausschließlich die öffentlichen Verkehrsmittel - ein Einbruch von vier Prozentpunkten im Vergleich zu vorpandemischen Zeiten.
- Nur jeder fünfte Befragte nutzt laut Mobilitätsreport des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) den öffentlichen Verkehr genauso häufig wie vor der Pandemie.
- Durch Corona ist die Strecke, die täglich gelaufen oder geradelt wird, laut WZB mittlerweile größer als die tägliche Strecke der Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr.
- Vor allem Stammkundinnen und -kunden wanderten ab: Es gibt etwa zwölf Prozent weniger Personen mit Zeitkarten als noch vor Corona.
Die Folge: Fast die Hälfte derer, die vorher öffentliche Verkehrsmittel nutzten, nahmen im Mai 2021 lieber das Auto, so der aktuellste Mobilitätsreport vom WZB.
Massiver Einbruch im Flugverkehr
Corona führte zu weniger Auslandsreisen und damit sank auch der Flugverkehr. In der ersten Welle brach er in Deutschland fast vollständig ein: Im April 2020 wurden von der Deutschen Flugsicherung 87 Prozent weniger Starts und Landungen registriert als im April 2019.
Dieses Jahr erholten sich die Zahlen wieder. Auf Basis der aktuellen Entwicklungen ist dennoch davon auszugehen, dass die Flugbewegungen in diesem Jahr die 50-Prozent-Marke im Vergleich zum Vor-Corona-Stand nicht überschreiten werden.
Der Pkw - das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel
Aktuell nutzen nach der repräsentativen DLR-Umfrage 59 Prozent der Menschen ausschließlich das Auto - neun Prozentpunkte mehr als vor Corona. Vor allem Menschen mit höherem Einkommen sind auf das Auto umgestiegen. Die Ärmsten haben oft kein Auto - nur 39,5 Prozent. Von den Besserverdienenden hat fast jeder ein eigenes Auto.
Unter dem Strich hat die Pkw-Dichte in ganz Deutschland auch während der Pandemie weiter zugenommen.
Homeoffice bleibt wichtig
Dass nach wie vor viele Menschen im Homeoffice arbeiten, habe auch große Auswirkungen auf die Mobilität, erklärt Claudia Nobis. Sie geht von einer Verstetigung aus: "Viele Menschen, die vorher nie im Homeoffice gearbeitet haben, haben festgestellt, dass sie hier viel Zeit für Verkehrswege einsparen können", so die Mobilitätsforscherin. "Und auch viele Arbeitgeber, die damit bisher keine Erfahrungen hatten, haben festgestellt, dass das doch ganz gut klappt."
Dass insgesamt die Strecken und Wege mit dem Auto zugenommen haben, mag angesichts vieler Menschen im Homeoffice erstaunen. Aber: Viele sind vom öffentlichen Verkehr auf das Auto umgestiegen. Zudem waren Menschen, die vor Corona im Homeoffice gearbeitet haben, grundsätzlich mobiler und legten weitere Strecken zurück, so Mobilitätsforscherin Nobis. Verkehrseinsparungen durch das Homeoffice werden so wieder zunichtegemacht.
Mobilität: Neue Gewohnheiten erkennbar
Verkehrsgeschehen ist stark durch Routinen geprägt, ein Wechsel in diesen Gewohnheiten ist ein langwieriger Prozess. Claudia Nobis vom DLR geht nach der Pandemie nicht von einer Rückkehr zum ursprünglichen Verkehrsverhalten der Menschen aus:
"Nach der ersten Welle konnte man erkennen, dass die Menschen wieder zu ihren alten Verkehrsroutinen zurückkehrten. Aber nach der zweiten, dritten, vierten Welle wurden diese Gewohnheiten der Verkehrsmittelwahl bei vielen Menschen so oft durchkreuzt, dass wir davon ausgehen, dass sich neue Gewohnheiten entwickeln."