Seit einer Woche gibt die Sängerin Coco Safir jeden Abend ein Konzert. Auf ihrem Balkon, für ihre Nachbarn. Die Botschaft: Jeder kann dem Coronavirus etwas Schönes entgegensetzen.
Um 18 Uhr geht es los. Jeden Abend, kurz bevor die Kinder ins Bett gehen. Das ist jetzt so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz in der Wiesbadener Steingasse. "Weil wir gemerkt haben, dass es den Leuten hier Halt gibt", sagt Coco Safir. "Und die Zuversicht, dass es am nächsten Tag etwas gibt, worauf sie sich freuen können."
Coco Safir ist Sängerin und Musikerin. Normalerweise gibt sie Konzerte, produziert Musik und managt für eine Agentur Künstler. Aber ein "Normal" gibt es derzeit nicht, gerade für Kulturschaffende. Im Kampf gegen das Coronavirus darf es die geplanten Veranstaltungen nicht geben.
Balkonkonzert für alle Nachbarn
Deshalb steht Coco Safir jetzt auf ihrem Balkon, zusammen mit ihrem Mitbewohner Erol Cay. Für eine halbe Stunde ist das nun ihre Bühne, jeden Abend, seit einer Woche. "Bitte denkt daran, dass ihr mindestens zwei Meter Abstand haltet", ruft sie den Nachbarn zu, die kurz runter auf die Straße gekommen sind. Dann singen beide. Sie spielt Stagepiano, er Gitarre.
Unten, auf der Kreuzung, spielen Roland Vanecek Sousaphon und die NoExitus-Band. Zwischendurch gibt es eine Gute-Nacht-Geschichte für die Kinder, am Ende Applaus und Jubel von den Nachbarn, die für 30 Minuten auf ihre Balkone gekommen sind oder ihre Fenster geöffnet haben, wie in Italien. "Bleibt gesund", ruft Roland. "Bis morgen - und passt bitte auf euch auf", sagt Coco Safir.
Wie die Italiener gegen die Corona-Krise singen:
Den Corona-Ängsten etwas entgegensetzen
Sie freut sich, dass ihre Nachbarn die Balkonkonzerte so gut aufnehmen. "Jeder hat gerade Existenzängste", sagt sie. "Niemand weiß, wie es weitergeht." Die Musik, sagt Coco Safir, setze dem etwas entgegen:
Coco Safir berichtet auch von einer neuen Solidarität in ihrer Nachbarschaft. "Bis vor Kurzem wusste ich gar nicht, dass da drüben die kleine Lisa wohnt", sagt sie, "und hinter dem Fenster dort die Marie." Nun sei sie plötzlich mit diesen Menschen verbunden. "Ich habe gemerkt: Der Weg zum anderen Fenster ist gar nicht so weit - und man kann sich super von Wohnung zu Wohnung von seinen Nöten berichten, das geht."
Gesellschaft trotz Coronavirus stärken
Deshalb will Coco Safir auch weiterspielen - solange es geht. "Wir machen das aus Freude und weil wir nicht anders können", sagt sie. "Wir wollen nicht auf dem Sofa sitzen und uns der Hilflosigkeit ausliefern, sondern das machen, was wir können: Musik!"
Dabei hofft die Sängerin auch, nicht nur andere Künstler zu ermutigen - sondern alle Menschen. "Jeder von uns kann etwas tun und hat etwas zu geben, ob aus dem eigenen Fenster heraus oder digital", sagt sie. "Wir können alles schaffen, was wir schaffen wollen - und zwar gemeinsam." Und wenn jeder, der könne, auch etwas gebe, "dann schaffen wir Verbundenheit und machen unsere Gesellschaft stark", sagt sie.
Das Balkonkonzert mit Coco Safir und der NoExitus-Band können Sie auch auf Instagram @zdfheute in den Story-Highlights sehen.
Der Autor auf Twitter: @waskevinsagt