Die Corona-Krise trifft die Obdachlosen hart, so beobachtet es die Berliner Stadtmission. Welche Folgen hat die Pandemie für Menschen, die auf der Straße leben?
Ein Wasser, ein Brot, Obst, eine Süßigkeit und ein Mund-Nasenschutz - die Berliner Stadtmission schnürt Nothilfepäckchen, um Obdachlosen zu helfen. Es gibt eine Quarantänestation, Notunterkünfte oder Suppenbusse. Auch die Hilfsangebote der Stadtmission mussten an die Corona-Krise angepasst werden. Wie geht es Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, in der Pandemie?
Angst vor Ansteckung in der Corona-Krise
Händewaschen und Mund-Nasenschutz sind in den Notunterkünften der Berliner Stadtmission Pflicht. Auch hier gelten Hygienekonzepte: "Da wird auch mal bei der Essensausgabe der Bahnhofsmission am Zoo gefragt: 'Bekomme ich eine neue Maske, meine ist schmutzig geworden?'", so Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission.
Aus Angst vor Ansteckung suchen einige nicht einmal mehr die Sammelunterkünfte auf. In der größten Notunterkunft in der Lehrter Straße fanden vor der Pandemie 120 bis 150 Menschen Platz. Und wenn mal mehr vor der Tür standen, wurden im Speisesaal die Schlafsäcke ausgerollt, erzählt Breuer. In der Pandemie geht Zusammenrücken nicht mehr.
Um auch die zu erreichen, die nicht in den Unterkünften schlafen möchten oder können, schickt die Berliner Stadtmission einen Suppenbus raus. Im Winter sanken die Temperaturen auf über minus 10 Grad. Auf der Straße ist die Kälte lebensbedrohlich, Corona verschärft die Situation noch.
Eine mobile Suppenküche versorgt Obdachlose in Berlin.
Initiativen wie #WirBleibenZuhause nützen Menschen ohne Zuhause wenig. Deshalb hat die Stadtmission in Berlin eine Quarantänestation eröffnet. Bis zu 100 Menschen finden dort Unterkunft, wenn sie etwa Symptome haben oder auf ein Testergebnis warten.
Weniger Einnahmequellen durch Shutdown
Auf den Straßen Berlins ist es indes stiller geworden. Die Kulturorte, Kinos, Theater sind geschlossen, nur noch wenige Passanten stellen im Vorbeigehen ihre Pfandflaschen irgendwo ab, das Flaschensammeln fällt weg. Und auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln wurde es ruhiger, weil viele Menschen im Homeoffice arbeiten.
Durch den Shutdown bedingt seien viele Einnahmequellen weggebrochen.
Früher hat das ein oder andere Restaurant einen Raum zum Waschen angeboten oder auch mal ein Essen für Bedürftige - all das sei weggebrochen.
Und dann ist da noch das Problem mit der Wahrnehmung. Jetzt in der Pandemie werden Obdachlose noch eher übersehen als zuvor. Jeder sei dazu angehalten, Kontakte zu reduzieren. Das habe auch Auswirkungen auf die, die auf der Straße leben. Sie haben vermehrt mit Einsamkeit zu kämpfen.
Covid-Impfungen für Obdachlose
Die Menschen auf der Straße spüren die Auswirkungen der Pandemie nicht nur besonders stark. Sie haben, zumindest in den Sammelunterkünften, auch ein höheres Ansteckungsrisiko. Die Berliner Sozialsenatorin hatte daher vor einigen Tagen vorgeschlagen, Obdachlose in einem nächsten Schritt impfen zu lassen. Auch, weil AstraZeneca-Impfdosen in den letzten Wochen ungenutzt geblieben waren. Die Berliner Stadtmission befürwortet das.
Besonders jetzt seien die Menschen in den Wohnheimen noch gut zu erreichen und für eine zweite Impfung greifbar, so Breuer. Wenn die Menschen sich wieder vermehrt draußen aufhielten, sei das Impfen schwieriger, weil sie unterwegs seien oder ihre Übernachtungsplätze nicht verrieten.
Obdachlosenhilfe der Berliner Stadtmission
In der Krise zeigt sich aber auch Solidarität. Die Berliner Stadtmission hat in der Krise das Projekt Nothilfe Berlin ins Leben gerufen. Täglich werden hier sogenannte "Nothilfe Päckchen" geschnürt, Tausende Stück waren es im ersten Shutdown, bestehend aus Wasser, einem Brot, Obst, einer Süßigkeit und einer Maske.
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Ehrenamtliche schmieren Brote und Unternehmen spenden Obst und Lebensmittel. Die Päckchen werden dann an den Treffpunkten der Obdach- und Wohnungslosen verteilt. Die Aktion wurde zunächst bis Ende März verlängert.
Bedürftige scheinen jünger zu werden
Breuer beobachtet, dass die Menschen, die sich an Ausgabestellen für eine Suppe anstellen, jünger werden, und teils auch Studentinnen und Studenten auf die Spenden angewiesen seien.
Laut einer Zählung aus dem vergangenen Jahr sollen rund 2.000 Menschen in Berlin obdachlos sein. In Wirklichkeit, so schätzen es Hilfsorganisationen, könnten es um ein Vielfaches mehr sein. Das war kurz vor der Pandemie. Ob tatsächlich mehr Menschen in der Hauptstadt ihr Dach über dem Kopf verloren haben, lässt sich derzeit nicht belegen.
Vor allem für Obdachlose ist die Kälte in Deutschland ein großes Problem. Viele von ihnen finden zurzeit keinen Platz in Notunterkünften und sind auf die Hilfe anderer angewiesen.