Impfstoffhersteller prüfen, ob sie ihre Vakzine wegen Omikron anpassen müssen. Wie schnell könnte das gehen? Wo liegen die Hürden? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Seit dem Bekanntwerden der Omikron-Variante prüfen Impfstoffhersteller weltweit, ob eine Anpassung ihrer Vakzine nötig sein könnte. Bei Johnson & Johnson, Astrazeneca, Biontech und Moderna laufen die Tests und Untersuchungen. Allein bei Moderna hätten Hunderte Mitarbeiter bereits letzte Woche angefangen, an einer entsprechenden Anpassung des Corona-Impfstoffs zu arbeiten, sagte der Chef des Pharmakonzerns, Paul Burton, am Sonntag in einem BBC-Interview.
Auch das Mainzer Unternehmen Biontech prüft eine mögliche Anpassung seines bestehenden Corona-Impfstoffs Corminaty. Wo liegen die Hürden bei Impfstoffanpassungen und wie lange dauert es, bis Vakzine entwickelt sind und auf den Markt kommen? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Müssen die Impfstoffe überhaupt angepasst werden?
Die Variante Omikron steht im Verdacht, dass sie sich der Wirkung der derzeit verfügbaren Impfstoffe entziehen kann - zumindest teilweise. Der Virologe Christian Drosten erklärte auf Anfrage von ZDFheute, dass die neue Variante wahrscheinlich nicht in der Lage ist, den Immunschutz völlig lahmzulegen und die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiter schützen.
Auch der Leiter des Instituts für Virologie an der Gießener Justis-Liebig-Universität, Friedemann Weber, geht davon aus, dass die Wirkung der etablierten Impfstoffe zwar etwas reduziert sein könnte, es aber immer noch einen sehr guten Schutz vor schweren Verläufen geben werde.
Wie stark dieser sogenannte Immun-Escape bei Omikron tatsächlich ist und ob eine Anpassung der Vakzine nötig ist, wird noch erforscht. Biontech rechnet spätestens in zwei Wochen mit Erkenntnissen. Bei Moderna wird bereits die Wirksamkeit des aktuellen Impfstoffs gegen Omikron getestet, es wird auch mit einem höher dosierten Booster experimentiert. Ergebnisse werden in "einigen Wochen" erwartet.
Wie lange dauert es, bis Impfstoffe angepasst sind?
"Die technische Anpassung bei mRNA-Impfstoffen geht vom Prinzip her relativ einfach und schnell, das ist in ein bis zwei Wochen machbar", erklärt Weber im Gespräch mit ZDFheute. Moderna-Chef Paul Burton sagte heute in einem BBC-Interview, Anfang des kommenden Jahres könnte ein angepasster Impfstoff "in großem Maßstab hergestellt werden".
Biontech teilte mit, gemeinsam mit dem US-Partner Pfizer habe man schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen, um im Fall einer sogenannten "Escape-Variante" den Impfstoff innerhalb von sechs Wochen anzupassen und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen auszuliefern. Dafür seien bereits klinische Studien gestartet worden, um Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit zu erheben. Diese könnten im Fall einer Anpassung bei den Behörden als Musterdaten vorgelegt werden.
Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) äußerte sich allerdings zurückhaltender. "Die EMA hält es zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht, die Notwendigkeit eines angepassten Impfstoffs mit einer anderen Zusammensetzung zur Bekämpfung dieser neuen Variante vorauszusehen", erklärte die Behörde auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP.
Warum wurden die Impfstoffe bisher nicht auf Delta angepasst?
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden derzeit nahezu alle Neuinfektionen in Deutschland von Delta verursacht. Der Schutz durch die derzeit verfügbaren Impfstoffe vor Delta ist laut Studien aber immer noch gut, vor allem der Schutz vor schweren Verläufen. Dass die Impfstoffe nicht direkt auf Delta zugeschnitten wurden, hat vor allem strategische Gründe:
"Wenn die Hersteller den Impfstoff darauf anpassen würden, hätten sie einen enormen Aufwand, der eigentlich unnötig ist - und würden vielleicht auch auf ihren bisherigen Impfstoffbeständen sitzen bleiben", erklärt Weber. "Denn wenn es hieße: In zwei Monaten gibt es einen neuen Varianten-Impfstoff, dann könnte ich mir vorstellen, dass viele Menschen abwarten, anstatt sich mit dem etablierten Vakzin impfen zu lassen."
Die ohnehin stockende Impfkampagne käme dann möglicherweise vollends zum Erliegen. Das wäre ein herber Rückschlag im Kampf gegen das Virus - und zwar gegen alle Varianten.
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