Aktuelle Impfstoffe schützen weniger vor Omikron-Infektionen, so eine Studie der Virologin Sandra Ciesek. Dem Hersteller Pfizer zufolge wirkt der Booster auch bei der Variante.
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek und ihr Team haben am Mittwoch neue Daten zur Omikron-Variante des Coronavirus veröffentlicht. Aus ihnen geht hervor, dass die bisherigen Impfstoffe wenig Schutz gegen eine Infektion mit diesem Virus bieten.
Weniger Schutz bei diversen Impfstoff-Kombinationen
Die Forscher untersuchten, welche Kombinationen an Impfstoffen in der Lage waren, 50 Prozent der Omikron-Viren einer Probe zu neutralisieren. Schutzimpfungen mit zwei Mal Biontech, zwei Mal Moderna oder Astrazeneca plus Biontech-Booster boten nach sechs Monaten allesamt keinen ausreichenden Schutz. Die durch Antikörper ausgelöste Neutralisation des Virus war in diesen Fällen zu null Prozent erfolgreich.
Eine Auffrischungsimpfung mit Biontech konnte nach drei Monaten nur 25 Prozent der Proben ausreichend neutralisieren – gegenüber 95 Prozent bei der Delta-Variante. Eine doppelte Biontech-Impfung plus zurückliegende Infektion schützte ebenfalls zu 25 Prozent. Die Studie existiert bislang nur als Preprint, ist also noch nicht in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht.
Pfizer: Dritte Dosis schützt auch gegen Omikron
"Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist", schrieb Ciesek auf Twitter. Die Untersuchung lasse aber keine Aussage zu, ob man gegen einen schweren Verlauf geschützt ist. Mit Blick auf eine mögliche Überlastung des Gesundheitssystems ist das eine zentrale Information.
Zu Hospitalisierung und Todesrate bei Omikron gibt es bislang nur wenig gesicherte Erkenntnisse. Untersuchungen in Südafrika deuten darauf hin, dass sich zwar mehr Menschen mit Omikron anstecken, davon aber weniger einen schweren Krankheitsverlauf haben.
Ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte der Impfstoff-Hersteller Pfizer eigene Daten zur Impf-Wirkung gegen Omikron. Seine Ergebnisse fallen optimistischer aus als die Ciesek-Studie. Der Impfstoff von Biontech und Pfizer sei nach drei Dosen weiter effektiv gegen die Omikron-Variante. Nach nur zwei Dosen gehen die beiden Unternehmen aber von einer geringeren Wirksamkeit aus. Doch auch könnte eine zweifache Impfung könne bereits gegen schwere Krankheitsverläufe mit Omikron schützen.
US-Immunologe Fauci: Omikron nicht schlimmer als Delta
Der Immunologe und Berater der US-Regierung Anthony Fauci sagte am Dienstag über die Omikron-Variante: "Es ist nahezu sicher, dass sie nicht schlimmer ist als Delta." "Das Verhältnis zwischen der Zahl der Infektionen und der Zahl der Krankenhausaufenthalte wohl geringer ist als bei Delta", so Fauci.
Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, warnte am Dienstag hingegen, dass man wegen Berichten über milde Omikron-Verläufe nicht in Euphorie verfallen sollte. Auch angesichts schwerer Verläufe, die nun bei Kindern in Südafrika beobachtet würden, sei zu befürchten, dass Omikron für Ungeimpfte "nicht harmlos" sei.
- Drosten: Omikron wird im Januar zum Problem
Omikron dürfte Deutschland noch die nächsten Monate beschäftigen, sagt Christian Drosten. Bei der Variante sei die "blödeste Kombination" an Eigenschaften zu befürchten.
Reaktionen von Drosten, Watzel und Brinkmann
Die neuen Ergebnisse des Ciesek-Teams bezeichnete Drosten auf Twitter als "sehr wichtige Daten". "Es sieht nicht gut aus für die doppelt Geimpften. Dritte Dosis notwendig."
Für den Immunologen Carsten Watzl ist klar, dass es "deutlich mehr Antikörper braucht, um Omikron zu neutralisieren". Die Folge:
Auch die Virologin Melanie Brinkmann schreibt: "Daraus ergibt sich weiterhin die klare Empfehlung, die dritte Impfung so schnell wie möglich wahrzunehmen. Es wird noch eine Weile dauern, bis die angepassten Impfstoffe in ausreichender Menge verfügbar sind."
Impfstoff-Anpassung nötig und möglich
Die Ciesek-Ergebnisse decken sich mit ähnlichen Untersuchungen weltweit. Alex Sigal vom Africa Health Research Institute im südafrikanischen Durban beobachtete diese Woche ebenfalls eine deutliche Abnahme der Schutzwirkung gegen Infektion bei Omikron.
Für Sigal sind die Ergebnisse dennoch "besser als erwartet". Omikron nutze wie andere Varianten auch einen Ace2-Rezeptor, die Immunflucht sei nach einer Auffrischung oder einer Infektion nicht vollständig. Man könne das Problem mit den vorhandenen Werkzeugen angehen.
Damit spielt Sigal vor allem auf die Anpassung der Impfstoffe an. Mehrere Hersteller, darunter Biontech-Pfizer, haben entsprechende Schritte bereits angekündigt, erwartet werden die neuen Vakzine zwischen Februar und März 2022.
Auch der Virologe Martin Stürmer glaubt, dass eine Anpassung bis zum Frühjahr möglich sein wird. Es sei ein "zentraler Vorteil der mRNA-Impfstoffe, dass neue Varianten deutlich einfacher nachgebaut werden könnten, sagt er ZDFheute.
Ergebnisse sind kein Argument gegen die Impfung
Die Hoffnung auf eine Reihe von Antikörper-Medikamenten gegen Covid-19 scheint sich mit der Ciesek-Untersuchung hingegen zerschlagen zu haben. Die monoklonalen Antikörper Imdevimab und Casirivimab seien laut Ciesek "wirkungslos" gegen Omikron. Mitte November hatte die europäische Aufsichtsbehörde EMA eine Zulassungsempfehlung für beide Präparate ausgesprochen.
Dass neue Varianten die Bekämpfung der Pandemie erschweren könnten, darauf wird seit Langem hingewiesen. Je ungebremster sich eine Infektionswelle in einer Gesellschaft ausbreitet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass neue Varianten entstehen und sich durchsetzen können. Impfungen erschweren das.
Bislang sehe man noch keine Flächen-Ausbreitung von Omikron in Europa, so Stürmer. Dass die Variante aber mittelfristig in Deutschland in großer Zahl ankommen wird, davon sind die meisten Experten überzeugt.
Das akute Problem ist so weiter die Delta-Variante. Hier verhindern die zugelassenen Impfstoffe zuverlässig schwere Krankheitsverläufe und innerhalb der ersten Monate meist auch eine Infektion.
Anmerkung 08.12.2021, 14:10 Uhr: Der Artikel wurde nach Erscheinen überarbeitet, um neue Studienergebnisse des Herstellers Pfizer-Biontech ebenfalls einfließen zu lassen.
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