Wie heftig könnte die Omikron-Welle Deutschland treffen? Der Mathematiker Kristan Schneider hat Szenarien berechnet. Hunderttausende tägliche Neuinfektionen seien möglich.
In immer mehr europäischen Staaten lässt die Omikron-Variante Fallzahlen in die Höhe schnellen. Auch Deutschland wird sich die Variante bald flächendeckend ausbreiten, das halten Wissenschaftler für gesichert.
So viele Neuinfektionen sind möglich
Um besser zu verstehen, was das für die Gesellschaft konkret bedeutet und welche Schutzmaßnahmen notwendig sind, erstellen Forscher Modellrechnungen. So etwa der Mathematiker Kristan Schneider, Professor an der Fakultät für Angewandte Computer- und Biowissenschaften der Hochschule Mittweida in Sachsen.
"Wenn wir nachlässig werden, werden wir mit Omikron sicher mehrere Hunderttausend tägliche Neuinfektionen haben", sagt Schneider ZDFheute.
Der bisherige Spitzenwert an täglichen bestätigten Neuinfektionen liegt bei rund 75.000 Ende November. Darüber hinaus gibt es eine erhebliche Dunkelziffer.
Der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner spricht über die Gefahren der Omikron-Variante.
So könnte die Omikron-Welle verlaufen
Wie viel ansteckender Omikron gegenüber Delta ist, lasse sich aktuell kaum gesichert sagen. "Eine vernünftige Datenlage werden wir erst haben, wenn die Welle voll angerauscht ist. Dann ist es aber zu spät zu handeln", sagt Schneider. "Ich halte 50 bis 60 Prozent höhere Ansteckbarkeit für realistisch."
Seine Berechnungen umfassen darum mehrere Szenarien. Je ansteckender die Omikron-Variante ist, desto heftiger fällt die Welle aus.
Andere Forscher kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie Schneider und sprechen sogar von einer "Omikron-Wand", auf die Deutschland zusteuert. In Südafrika, Großbritannien oder Dänemark konnte man bereits sehen, dass das Tempo der Omikron-Ausbreitung erheblich ist. Andere Varianten können innerhalb weniger Wochen vollständig verdrängt werden.
Wann Omikron auch in Deutschland die Mehrheit der Neuinfektionen ausmachen könnte, hat Schneider für die verschiedenen Szenarien berechnet:
- 60 Prozent ansteckender: 21. Januar 2022
- 50 Prozent ansteckender: 25. Januar 2022
- 40 Prozent ansteckender: 30. Januar 2022
- 30 Prozent ansteckender: 6. Februar 2022
- 20 Prozent ansteckender: 14. Februar 2022
Keine Aussage zu Intensivstationen möglich
Schneider betont, dass seine Berechnungen keine Aussage über die Auswirkungen auf Intensivstationen zulassen. Über die Schwere von Krankheitsverläufen bei Omikron gebe es noch zu wenig belastbare Daten.
Wichtigster Faktor bleibt auch hier die Impfquote: "Zwar sind Genesene und Geimpfte weniger gut gegen eine Infektion mit Omikron geschützt als noch bei Delta", sagt Schneider - gegen schwere Krankheitsverläufe bei Omikron schützten die Impfstoffe ersten Studien zufolge aber weiterhin.
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Omikron-Welle hätte massive Folgen für das öffentliche Leben
Unabhängig davon, wie viele Infizierte tatsächlich schwer erkranken, hätte eine Omikron-Welle massive Folgen für das öffentliche Leben in Deutschland. Existierende Testkapazitäten würden bei weitem nicht ausreichen.
Wer wegen eines positiven Tests in Isolation muss, kann oft nicht mehr arbeiten. Bei Hunderttausenden Neuinfektionen droht Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen oder kritischer Infrastruktur schlicht das Personal auszugehen.
"Schon jetzt hört man immer wieder, dass mancherorts Mitarbeiter trotz eines positiven Schnelltests noch ins Büro kommen", berichtet Schneider. Auch Schulen würden Isolationsregeln in Reaktion auf eine überwältigende Menge an positiven Tests abschwächen. Auch hier könnte Omikron neue Lösungen erfordern.
"Vernünftig ist es Massenveranstaltungen, Theater, Kinos, große Restaurants zu schließen, weil es hier sehr leicht zu Super-Spreader Events kommen kann. In der initialen Phase der Omikron-Verbreitung kann das verheerende Folgen haben", sagt Schneider.
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