Durch einen dramatischen Einbruch der Zahlen zur Organspende sterben in diesem Jahr mehr Menschen als zuvor, während sie vergeblich auf ein Organ warten. Wo liegen die Ursachen?
Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) stehen bundesweit derzeit rund 8.500 schwer kranke Menschen auf der Warteliste für ein neues Organ. Bei jährlich hunderten Patient*innen verschlechtert sich der Gesundheitszustand so dramatisch, dass eine Transplantation nicht mehr möglich ist oder sie während der Wartezeit sterben, weil nicht rechtzeitig ein passendes Organ gefunden wurde.
Zahl der Organspender gesunken
Dabei ist man bislang in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern ohne größere Einbußen durch die Pandemie gekommen: Im letzten Jahr war die Zahl der Organspenden stabil auf dem Niveau des Jahres 2019 vor der Corona-Pandemie geblieben. Insgesamt spendeten 933 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe.
Jetzt sank die Zahl der Organspender*innen in den ersten vier Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26 Prozent. Gleichzeitig ging die Zahl der in Deutschland nach dem Tod entnommenen Organe um rund 25 Prozent zurück. Auch die Zahl der durchgeführten Transplantationen war damit rückläufig.
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Überlastete Intensivstationen wegen Corona
Nach Angaben der DSO konnten vermutlich durch Arbeitsüberlastung und erhöhten Personalausfall auf den Intensivstationen weniger Organspenden realisiert werden als in den Vorjahren. Ursachen, die in einem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen.
Ein weiterer Grund ist in diesem Zusammenhang das Auftreten eines vorzeitigen Herzkreislaufversagens bei potenziellen Spender*innen. Denn dies führt dazu, dass eine Feststellung des Hirntods unmöglich ist - und die ist eine von zwei Voraussetzungen für eine Organspende.
Welche Voraussetzungen gib es für eine Organspende?
Nur bei einer kleinen Gruppe von Verstorbenen stellt sich überhaupt die Frage einer Organspende. Denn für eine postmortale Organspende müssen die Funktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm unwiederbringlich erloschen sein, während Kreislauf und Atmung noch künstlich durch Beatmung und Medikamente aufrechterhalten werden.
Ärzt*innen sprechen von einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall, der auch als Hirntod bezeichnet wird. Zwei speziell dafür qualifizierte Ärzt*innen müssen ihn unabhängig voneinander nach strengen Richtlinien der Bundesärztekammer in mehreren Untersuchungen eindeutig feststellen. Sie dürfen weder an der Entnahme oder an der Übertragung der Organe der Organspender*innen beteiligt sein, noch der Weisung eines beteiligten Arztes unterstehen.
Priv.-Doz. Dr. Elvis Hermann im Gespräch
Angehörige lehnen Spenden nun häufiger ab
Als weitere unabdingbare Voraussetzung muss eine Einwilligung zur Organspende vorliegen. Diese kann als schriftliche Einverständniserklärung der Spender*innen in Form des Organspendeausweises oder einer Patientenverfügung vorliegen oder durch eine Person erfolgen, der die Entscheidung übertragen wurde. Andernfalls werden die Angehörigen um eine Entscheidung nach dem mündlichen oder dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gebeten.
Gerade in der Akutsituation auf den Intensivstationen ist nun die Zahl der Ablehnungen gestiegen. Auch in den Gesprächen mit Angehörigen ist laut der DSO eine Organspende häufiger abgelehnt worden als zuvor. Und dies vor dem Hintergrund, dass nur in 15 Prozent der Fälle eine schriftliche Willensbekundung der potenziellen Spender*innen vorliegt.
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Neues Gesetz zu Organspende
Die aktuelle Situation zeigt: Obwohl seit dem 1. März mit einem neuen Gesetz zur "Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende" viele potentielle Spender*innen angesprochen werden sollen, wird es dauern, bis Effekte zu sehen sind.
Wer sich jetzt aus eigenem Antrieb rechtzeitig aktiv mit dem Thema auseinander setzt und für sich und seine Angehörigen eine Entscheidung zum Thema Organspende trifft - welche auch immer -, der schafft unabhängig von äußeren Umständen Klarheit und rettet im Fall des Falles Leben.
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