Während die Clubs in Berlin, London oder New York geschlossen sind, feiern die Menschen in Rio de Janeiro trotz Corona. Zuletzt gingen die Infektionszahlen trotzdem zurück.
Es sind Bilder, die aus der Zeit vor Corona zu stammen scheinen: Clubs mit vollen Tanzflächen und feierwütigen jungen Menschen. Zumindest in Rio de Janeiro hat sich die Kultur- und Veranstaltungsszene ihren eigenen kleinen Raum geschaffen. So wie im Ortsteil Vidigal, wo hoch über den Dächern von Rio de Janeiro Clubs mit spektakulärem Blick über die Strände von Copacabana und Ipanema liegen und das Nachtleben tobt, als gäbe es keine Corona-Krise. [Alle aktuellen Entwicklungen zur Pandemie verfolgen Sie hier in unserem Liveblog.]
Kein Abstand, keine Maske: Bei Partys in Rio erlaubt
In der "Bar Alto Vidigal" steht an diesem Abend der "Vibe Surreal mit Di Proposito" auf dem Programm - und das scheint auf den ersten Blick wirklich surreal. Außer den mobilen Getränkeverkäufern trägt hier niemand eine Maske, Abstand halten ist angesichts der Enge ohnehin undenkbar. Ein Teil der Bar liegt unter freiem Himmel, deshalb ist das erlaubt.
Ein anderer allerdings ist überdacht, aber auch dort singen und schreien die Menschen ohne Maske.
sagt Kevin, der hinter der Theke Caipirinhas mixt.
Nachdem der Karneval in Rio de Janeiro wegen Corona abgesagt wurde, verlegen die Anwohner die Feierlichkeiten in die Straßen der Stadt.
Auf der Südhalbkugel ist jetzt Frühling
Die Brasilianerinnen und Brasilianer haben ihren Weg gefunden, in der Corona-Pandemie wieder zu feiern. Dabei kommt ihnen auch die Jahreszeit zu Hilfe. Auf der Südhalbkugel ist derzeit Frühling, in wenigen Wochen beginnt der Sommer. Einige Clubs haben sich - sofern möglich - darauf eingestellt. Auch in den Sambaschulen, die das Herzstück der Karnevalssession bilden, wird - wo möglich - wieder gefeiert.
Dabei gehört Brasilien zu den Ländern, die von der Corona-Pandemie besonders betroffen sind. Mehr als 168.000 Tote und sechs Millionen registrierte Infektionen haben das Land in die Top Ten der Tabelle der Johns Hopkins Universität katapultiert. Weil die Zahlen im September und Oktober rückläufig waren, spekulierten erste Wissenschaftler über eine Herdenimmunität - verwiesen aber auch darauf, dass es bislang nur Indizien, aber keine verlässlichen Studien gäbe.
Feuerwerk an der Copacabana zu Silvester abgesagt
Gonzalo Vecina Neto, ehemaliger Präsident der Nationalen Behörde für Gesundheitsüberwachung Anvisa, sagte jüngst: "Wer rausgehen musste, ging raus, bekam die Krankheit, starb oder wurde geheilt". Inzwischen aber gehen in einigen Bundesstaaten die Zahlen wieder hoch. Und das führt zu Spekulationen, auch in Brasilien könne nun doch eine zweite Welle beginnen.
Tatsächlich sind die wichtigsten Entscheidungen für die nächsten Wochen und Monate schon gefallen: Das spektakuläre Silvesterfeuerwerk, das jedes Jahr Millionen Menschen an den Copacabana-Strand lockt, ist abgesagt. Die traditionellen "Blocos", die Karnevalsumzüge in den Stadtvierteln, ebenso verschoben wie die weltberühmten Umzüge im Sambodromo. Sie könnten im Juli nachgeholt werden. Dann - so hoffen sie in Brasilien - steht auch hier endlich ein Impfstoff zur Verfügung.
Helfer und Barkeeper tragen Maske
Mehr als acht Stunden wird derweil in der Bar Alto Vidigal getanzt, geküsst und gekifft, als gäbe es kein Corona. Irgendwann beginnen die Helferinnen und Helfer, die Dosen und Kronkorken aufzukehren. Sie sind nüchtern und tragen eine Maske.
Nach Mitternacht geht es von ganz oben zurück in kleinen ebenfalls völlig überfüllten VW Bullys. Auch in den Bussen trägt niemand eine Maske. Dafür wird gesungen. Corona ist zumindest in dieser November-Nacht für die jungen Brasilianer kein Thema.