Trotz zweiter Corona-Welle, trotz steigender Todeszahlen: Der Protest der selbsternannten Querdenker ist nicht verstummt. Was treibt sie an? Alles Spinner, Nazis, Covidioten?
Barbara M. aus der Nähe von Tübingen ist eine derjenigen, die im "Corona-Jahr" das Vertrauen in die Politik verloren hat. Die Mutter von drei Kindern wählte immer rot oder grün - und ist jetzt plötzlich "Querdenkerin". Ihr Hauptkritikpunkt:
Gleichzeitig fühlt sich Frau M. von Teilen der Gesellschaft in eine Schublade gesteckt, nicht mehr ernst genommen: "Es fängt damit an, dass man, wenn man eine andere Meinung hat, ja eigentlich sofort den Stempel hat: Ja, du bist rechts, Corona-Kritiker, Covidiot und was auch immer."
Das Coronavirus ist nur das Symptom
Auf den Demonstrationen wollte sie endlich Menschen treffen, die sie nicht für ihre Kritik anfeinden. Auch Rainer K. aus Leipzig ist mit den Maßnahmen der Politik unzufrieden. Die "Querdenker"-Proteste heute vergleicht der Leipziger mit den Montagsdemonstrationen von 1989:
Rainer K. demonstriert gegen eine vermeintliche Gefährdung des gesellschaftlichen Systems, Barbara M. erhofft sich, mit ihrer Kritik an den Maßnahmen auf Akzeptanz zu stoßen. Die Spannbreite der "Querdenker"-Palette ist sehr weit. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten.
Zerrüttetes Verhältnis zwischen Bürgern und Politik
Fehlendes Vertrauen in Politik und Medien - für Jörg Sommer vom Berliner Institut für Partizipation eint das viele der "Querdenker". Ihre Demonstrationen seien unübersehbare Symptome eines Problems, das schon länger bestehe:
Für Sommer geht es darum, mit einer "gewissen Demut" auf die Protestierenden zuzugehen - ohne die "Querdenker"-Bewegung, die inzwischen vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet wird, zu verharmlosen.
- Verfassungsschutz warnt vor "Querdenkern"
Verfassungsschützer warnen vor steigender Gewaltbereitschaft von "Querdenkern". Jetzt fordert Nordrhein-Westfalens Innenminister Reul eine Reform des Landfriedensbruchsparagrafen.
Krankenschwester Miriam S. fällt das schwer. Sie hat erlebt, wie an der "Corona-Frage" sogar Freundschaften zerbrechen: "Ich wurde von einer Freundin mit irgendwelchen Verschwörungsvideos zugeballert. Und wenn man selbst an der Front steht und hört sich dann so was an, denkt man automatisch: Da prallen zwei Welten aufeinander."
"Querdenker"-Kritik an "Querdenkern"
Was sie am meisten ärgert? "Wenn Menschen sagen, dass sie sich die Freiheit nicht nehmen lassen." Und ergänzt:
Barbara M. fürchtet jedoch psychische Auswirkungen bei ihren Kindern und kritisiert daher die Maskenpflicht während des Unterrichts. Ein Stück Stoff scheint hier exemplarisch die Fronten zu verhärten: "Was sich da gespalten hat, in der Lehrerschaft, in der Elternschaft und unter den Schülern!"