Während Schüler*innen langsam zum Präsenzunterricht zurückkehren, zeigen sich bei vielen die Folgen der Pandemie: Fast ein Drittel von ihnen ist psychisch auffällig.
Junge Menschen und die Folgen der Pandemie
Wenn die 19-jährige Franziska Kraft sammeln will, setzt sie sich an die Isaraue in München und spielt Gitarre. Der monatelange Shutdown hat der Auszubildenden für Tontechnik schwer zugesetzt:
Franziska ist schwer depressiv. Vier Monate war sie stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in München, wird dort immer noch ambulant behandelt. Ihr Psychiater und Leiter der Klinik, Gerd Schulte-Körne, beobachtet:
"Wir sehen, dass die Psyche der Kinder mit einer extremen Verzögerung auf diese Belastung reagiert", so Schulte-Körne, "und wir gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten noch viel mehr Bedarf entsteht."
Dabei ist die Klinik bereits ausgelastet und überbelegen können sie nicht. Die Wartelisten sind lang.
Studie zeigt: Wohlbefinden durch Corona verschlechtert
Dass sich "unter dem Radar" eine Welle psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aufbaue, prognostiziert Christoph Correll von der Charité Berlin. Derzeit arbeitet er mit einem internationalen Forscherteam zu den Folgen der Corona-Pandemie.
Es nehmen über 150.000 Menschen aus 155 Ländern teil. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 17 deutlich verschlechtert hat, dass sich Gefühle wie Einsamkeit und Hilflosigkeit teilweise zwischen zweitem und drittem Shutdown verdoppelt haben.
Politik investiert wenig in psychische Gesundheit
Gerd Schulte-Körne von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität München wollte während der Pandemie nicht länger auf die Politik warten, schuf bereits im letzten Jahr die Internetseite "Corona und Du", eine Art digitale Anlaufstelle für Eltern und Jugendliche in Krisensituationen.
Das bayerische Wissenschaftsministerium lehnte Forschungsgelder für die Seite ab, stattdessen finanzierte eine private Stiftung die Initiative. "Da haben wir gemerkt, dass dieses Thema in der Forschungspolitik überhaupt keine Bedeutung hatte, sondern dass alles in andere Aspekte investiert wurde, aber nicht in die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen."
Corona-Aufholprogramm für Kinder
Mit dem "Aktionsprogramm Aufholen nach Corona" will die Bundesregierung nun gegensteuern. Anfang Mai stellten die damalige Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) das Paket in Höhe von zwei Milliarden Euro vor. Die Hälfte des Geldes soll in Nachhilfe- und Förderprogramme fließen, um Lernrückstände aufzuarbeiten.
Die andere Hälfte ist für den psychosozialen Bereich. Kai Gehring (Grüne), Obmann im Bildungsausschuss des Bundestages, meint:
Der Fokus in der Politik müsse nun dringend stärker auf Kinder und Jugendliche gelegt werden, so Grünen-Politiker Gehring. Schließlich müsse sich eine Gesellschaft auch daran messen lassen, wie sie mit den Schwächsten umgehe.
Gravierende Spätfolgen der Pandemie befürchtet
Mit Blick auf die kommenden Monate und Jahre befürchtet Professor Correll von der Charité Berlin gravierende Spätfolgen der Pandemie: "Wenn es Familien pandemiebedingt auch ökonomisch schlechter geht, wenn die Unterstützung von Schulen, Freunden, Sportvereinen weniger wird, dann wird sich der Druck noch weiter erhöhen."
Und das bedeutet: der Zustand derjenigen die schon psychisch erkrankt sind, werde sich weiter verschlechtern; die Zahl der psychischen Neuerkrankungen wird zunehmen.
- Steigende Preise als zusätzliche Belastung
Arme Menschen werden in der Pandemie nicht ausreichend unterstützt, warnen Sozialverbände. Hinzu kommt: Steigende Lebensmittelpreise verschärfen die Situation.