Die sogenannten Querdenker haben an Karsamstag in Stuttgart quasi ein Volksfest gefeiert, ohne Maske und Abstand. Insofern: zur Sicherheit einen Corona-Test machen.
Rückblick auf Karsamstag in Stuttgart: Schließlich kommt sogar die Sonne hinter den Wolken hervor. Spätestens jetzt macht sich auf dem Cannstatter Wasen Volksfeststimmung breit. Menschen mit Bierflaschen kommen uns entgegen. Alles wirkt sehr gesellig und friedlich. Man hat es sich auf dem Boden gemütlich gemacht, hält hier mal einen Plausch und da ein Schwätzchen.
Überall strahlende Gesichter, nicht von Masken verdeckt. "Ich bin umarmbar" steht auf dem Pullover einer Frau. Die Auflagen der Stadt für die Versammlung an Karsamstag - Maskenpflicht und Abstandsregeln - werden konsequent ignoriert.
In Stuttgart haben Tausende Anhänger der „Querdenker“-Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert - teils ohne Masken und Abstand. Dabei kam es zu Gewalt gegen Journalisten.
Vereinzelt sind Polizeibeamte mit der Aufschrift "Anti-Konflikt-Team" unterwegs. Sie haben nichts zu tun. Denn Konflikte gibt es hier unter den Demo-Teilnehmern keine. Warum auch? Mit provokanter Selbstgefälligkeit darf man hier ein Fest feiern, gerade so, als hätte es Corona nie gegeben. Und die Polizei? Tut nichts.
Maskenträger bei Demo der "Querdenker" unerwünscht
Es fühlt sich ungemütlich an, wenn man mit Maske in einer Menge von 10.000 Menschen ohne Maske unterwegs ist. "Hier kommt die Lügenpresse, schämt euch", ruft man mir und meinem Kamerateam entgegen, "nehmt die Kaffeefilter aus dem Gesicht!"
Immerhin werden wir nicht mit Gegenständen beworfen, wie später die Kolleg*innen von der ARD. Oder körperlich bedrängt wie ein Journalist zuvor, als der Zug der Demonstranten noch in der Stadt unterwegs war. Ob die Polizei uns jetzt schützen könnte? Ich habe Zweifel. Denn die ist weit weg, hält sich im Hintergrund.
Polizei stuft Versammlungsauflösung als kontraproduktiv ein
Viele haben die Stuttgarter Polizei noch ganz anders im Gedächtnis. Stichwort Stuttgart 21: 2010 setzte sie ein einem denkwürdigen Wasserwerfer-Einsatz mit zahlreichen Verletzten Baumrodungen im Stuttgarter Schlossgarten durch. Führende Polizeibeamte mussten danach ihren Hut nehmen.
#wieunscoronaspaltet
Wir fragen nach, in der Pressestelle der Polizei vor Ort. Die ist bei der Wasenwache, wo während des Cannstatter Volksfestes Randalierer ihren Rausch ausschlafen müssen. Heute bleiben die Zellen leer. Ja, die Situation sei nicht schön, sagt Pressesprecher Stefan Keilbach, aber jeder Polizeieinsatz müsse ja eine Verbesserung bewirken.
Wenn sie jetzt die Versammlung auflösten, würde das die Menschen nur zusammendrängen. Und das sei kontraproduktiv im Sinne des Infektionsschutzes. Einsatzleiter Carsten Höfler ergänzt:
Trotz zweiter Corona-Welle, trotz steigender Todeszahlen: Der Protest der selbsternannten Querdenker ist nicht verstummt. Was treibt sie an? Alles Spinner, Nazis, Covidioten?
Lucha: Verlauf der Demo ist gesamtgesellschaftliche Gefährdung
Am Sonntag, dem Tag nach der Demo, meldet sich Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) zu Wort. Das, was gestern passiert sei, sei ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich an die Pandemieregel halten. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Gefährdung und dazu geeignet, die dritte Corona-Welle zu befördern.
Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) will künftige Demos dieser Veranstalter gegen die Corona-Politik wegen Auflagenverstößen verbieten. Und das rechtswidrige Verhalten vieler Teilnehmer der "Querdenken"-Kundgebung mit Bußgeldern ahnden. Die Angriffe auf Journalisten an Karsamstag verurteilte Nopper auf das Schärfste.
Ich selbst werde nach diesem Tag unter Maskenverweigerern nach Ostern erst mal einen Corona-Test machen. Sicher ist sicher. Es ist kaum zu erwarten, dass die 10.000 Teilnehmer dieser sogenannten Demo für Grundrechte, die eigentlich mehr einer illegalen Corona-Party glich, sich ähnlich verantwortungsvoll verhalten. Schließlich haben sie es den ganzen Tag schon nicht getan.
Rolf Peter Weißhaar ist Reporter im ZDF-Landesstudio Baden-Württemberg.
- Maas kritisiert "Querdenker"-Demo deutlich
Außenminister Maas reagierte mit deutlichen Worten auf die "Querdenker"-Demonstration in Stuttgart. Das Verhalten verstoße "gegen jede Regel und erst Recht gegen jede Vernunft".