Für Schausteller herrschte in der Corona-Pandemie lange Stillstand. Nun öffnen wieder erste Märkte - doch Schulden und Existenznot werden die Branche wohl lange begleiten.
Fred Hanstein ist zufrieden. "Wir sind das Antidepressivum gegen Corona", sagt der Schausteller, während er in seiner Wurfbude auf Hannovers Schützenplatz die Bälle zurechtlegt. Rund 4.200 Besucher gleichzeitig sind in der Spitzenzeit am ersten Wochenende des Rummels auf den "Hanno Park" gekommen, der dort seit Freitag geöffnet ist. Etwas mehr als doppelt so viele sind nach dem Hygienekonzept zugelassen.
Doch dass wie in Hannover überhaupt erste Jahrmärkte wieder möglich sind, markiert für die bundesweit gut 5.000 Schaustellerbetriebe ein Stück Hoffnung.
Seit er im Dezember 2019 seine Buden auf Weihnachtsmärkten abgebaut hat, konnte Hanstein nicht nur seinen Beruf kaum noch ausüben. Das Leben, wie es seine Familie kannte, war nicht mehr möglich, erläutert der 51-Jährige. Jetzt haben er, seine Frau, die Kinder und sein Vater wieder die Wohnwagen bezogen. "Normalerweise sind wir von Anfang März bis Ende Dezember unterwegs."
Viele Volksfeste weiterhin abgesagt
Doch weiterhin sind Volksfeste bereits jetzt abgesagt, obwohl sie erst im Herbst stattfinden sollten, beklagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes in Berlin, Frank Hakelberg. Beim Münchner Oktoberfest habe der aufwendige Aufbau die frühe Entscheidung nötig gemacht. Auch der Cannstatter Wasen in Stuttgart findet nicht statt. "Ein Problem ist der Domino-Effekt", sagt Hakelberg.
Angesichts sinkender Infektionszahlen sollten aber solche Entscheidungen nicht voreilig getroffen werden.
Immerhin soll der Hamburger Dom stattfinden, wenn auch mit Einschränkungen. Bremer Freimarkt und Oldenburger Kramermarkt sind bisher nicht abgesagt. "Doch auch der Herbst wird nicht so ablaufen wie sonst", sagt Hakelberg.
Schaustellerseelsorge sprang mit eigenem Fonds ein
Er hoffe, dass der Bund das eigentlich im September auslaufende Überbrückungsgeld für die Schausteller verlängert. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sich irgendwie über Wasser gehalten, etwa als Lkw-Fahrer. Darüber, wie viele aufgeben mussten, gebe es keine Statistik. Für die meisten komme dies nur in größter Not in Frage. "Der Beruf ist auch Berufung, Tradition, Familientradition."
Doch einige kleine und Kleinstbetriebe sind nach den Erfahrungen des Leiters der Circus- und Schaustellerseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland, Torsten Heinrich, zunächst gar nicht an die Überbrückungsgelder herangekommen.
Die Schaustellerseelsorge ist mit einem eigenen Fonds eingesprungen, wo es am nötigsten war, berichtet er. "Da haben wir mit Kleinstbeträgen zwischen 150 und allerhöchstens 500 Euro geholfen und so insgesamt 70.000 Euro unter die Leute gebracht."
Schulden und Existenznot in der Branche
Fred Hanstein berichtet von Banken und seiner Krankenkasse, die kulant waren, und Kommunen, die es ermöglichten, vereinzelt Stände aufzubauen, um in der Krise Solidarität zu zeigen. Dennoch habe er sich leer gefühlt. Schulden und Existenznot würden viele in der Branche noch lange begleiten.
Hanstein ist Schausteller in der fünften Generation. Mitte des 19. Jahrhunderts schaffte sein Ururgroßvater, ein Pferdehändler, das erste Karussell an. Er selbst vermietet unter anderem Toilettenwagen und hat Stände auf Weihnachtsmärkten. An seiner Bude auf dem "Hanno Park" feuert er die Werfer an: "Na los, feste!". Es gehe darum, Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, sagt er: