Ist die Sars-CoV-2-Dunkelziffer unter Schülern doch geringer als angenommen? Darüber streiten Experten. Virologin Ciesek fordert, erst mal Infektionen bundesweit zu erfassen.
Seit Monaten wird diskutiert, welche Rolle eigentlich die Schulen beim Infektionsgeschehen spielen. Dort soll es eine hohe Dunkelziffer unerkannter Corona-Fälle geben. Eine neue Studie von Kinderärzten und Kinderkliniken will belegen, dass die vielleicht viel kleiner ist als bisher angenommen.
Mit steigenden Infektionszahlen sind auch die Schulen wieder in den Fokus gerückt. Doch Schulschließungen wie im Frühjahr will die Politik unbedingt vermeiden. Stattdessen gibt es viele Vorschläge, etwa die Halbierung von Klassen oder eine generelle …
Wie sehr das Thema Eltern und Schüler, aber auch Lehrer und Erzieher beschäftigt, zeigt das breite Echo auf einen Tweet der Frankfurter Professorin Sandra Ciesek.
Übertragungsrisiko vor allem an weiterführenden Schulen minimieren
Die Virologin bringt etwas Ruhe in die mittlerweile aufgeheizte Debatte und erachtet "vor einer kompletten Schließung von Schulen und Kindergärten eine bundesweit einheitliche systematische Erfassung der Infektionsfälle in Schulen" als sinnvoll.
"In Regionen mit sehr hoher Inzidenz kann es sinnvoll sein", so Ciesek weiter, "den Präsenzunterricht so zu gestalten, dass besonders bei Kindern und Jugendlichen an weiterführenden Schulen das Übertragungsrisiko minimiert wird - durch Verkleinerung der Klassen und MNS-Pflicht auch im Unterricht".
Das betreffe dann "vor allem die älteren Kinder beziehungsweise Jugendliche, die auch zu Hause bei einer Mischung aus Präsenz- und E-Learning-Elementen schulisch profitieren können, zumindest mehr als etwa Grundschulkinder" .
Ciesek: Differenziert analysieren
Überhaupt sollten Corona-Fälle an Schulen "nach Alter, Anzahl und Ort (Stadt/Land) differenziert analysiert werden". Das würde helfen, so Ciesek weiter, "das Ausmaß der durch SARS betroffenen Schulen zu verstehen und dabei helfen, gezielte Maßnahmen einzuleiten".
Der Dank der User ist ihr sicher. Das zeigen über 1.700 Likes in kurzer Zeit und ein dickes "Danke für Ihr unermüdliches Erklären" einer Followerin.
Die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts ist klar: Bei einer kritischen Inzidenz rät es zu geteilten Klassen und Maskenpflicht. Die Länder entscheiden aber häufig anders.
Lauterbach: Auf jeden Fall geteilte Klassen
Für halbierte Klassengrößen spricht sich ausdrücklich auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach aus. Die Dunkelziffer-Studien beruhten auf Daten der letzten Monate, in denen gutes Wetter und Ferienzeit herrschten, sagt er im ZDF. "Diese alten Daten tun nichts zur Sache. Wir habe seit zwei Wochen ein großes Problem. Die Fallzahlen steigen nach oben".
Das Argument, dass geteilte Klassen auch mehr Lehrer erforderten, die es momentan nicht gebe, lässt Lauterbach nicht gelten: Die Sicherheit von Eltern, Schülern und Lehrer müsse vorgehen.
"Und wenn wir das ernst nehmen, müssen wir überlegen, wie wir das schaffen", so Lauterbach weiter. "Dass Schulteilungen durchaus möglich sind, zeigt sich wanders. Dänemark schafft das, viele Provinzen in Kanada schaffen das, an der Uni hier in Köln zum Beispiel schaffen wir das, auch viele Betriebe schaffen das."
Fachärzte: "Lasst die Schulen offen"
Auch die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin als Dachverband der kinder- und jugendmedizinischen Gesellschaften forderte am Wochenende bereits in einer Stellungnahme: "Lasst die Schulen offen".
Die Verantwortung, so die Fachärzte, "liegt bei Eltern, Betreuern, Lehrern und der gesamten erwachsenen Bevölkerung, ihre ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen vor Ansteckungen zu schützen und ihnen durch ihr hygienebewusstes Verhalten den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen zu ermöglichen".
Schulen seien auch im aktuellen Stadium der 2. Welle keine Hotspots der Pandemie.
Länderchefs beraten am Mittwoch
Am Mittwoch wollen sich die Länderregierungschefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut mit den Corona-Regeln befassen. Zuletzt hatte es dabei wieder vermehrt Forderungen gegeben, die Lage an den Schulen verstärkt in den Blick zu nehmen.
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Ansteckungsgefahr an Schulen wird überschätzt
Das Corona-Infektionsrisiko in Kitas und Schulen ist nach einer Analyse von Kinderärzten wohl deutlich geringer als angenommen. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor.
In ihrer Beschlussvorlage für die Beratungen am Mittwoch plädieren die Länderchefs dafür, dass ab der siebten Klasse das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtend werden soll in solchen Regionen, in denen die Zahl der Neuinfektionen den Wert von 50 je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen "deutlich" übersteigt.
Infektionsfreie Schulen sollen aber davon ausgenommen werden können. Über Homeschooling sollen die Länder nach dem Willen der Ministerpräsidenten selbst entscheiden.