In Lokalzeitungen werden massenhaft Stellenanzeigen von ungeimpften Pflegekräften geschaltet. Es gibt Hinweise auf eine koordinierte Kampagne zur Verhinderung der Impfpflicht.
In zahlreichen Lokalzeitungen erscheinen aktuell Stellengesuche von ungeimpften Pflegekräften. Wegen der für Mitte März geplanten Impfpflicht für Gesundheitsberufe scheinen viele Betroffene ein neues Betätigungsfeld zu suchen.
Doch sind diese Anzeigen echt - oder zumindest teilweise ein koordinierter Versuch, eine Personalflucht aus der Branche wegen der Impfpflicht hochzuspielen?
Vielfach falsche Kontaktdaten angegeben
In den vergangenen Tagen haben verschiedene Journalisten eine massive Zunahme solcher Anzeigen in Lokal- und Anzeigenblättern in verschiedenen Teilen Deutschlands dokumentiert. Von der einen auf die andere Woche explodierten die Anzeigenzahlen - oft mit ähnlich lautenden Texten.
In den Kliniken steigt die Zahl der Patienten im Zuge der Omikron-Infektionswelle und zugleich auch der Krankenstand beim Pflegepersonal.
Dass ein Teil der Anzeigen etwa im "Oberlausitzer Kurier" offensichtlich falsch ist, lässt sich leicht erkennen: Etwa an einer Telefonnummer wie 0160-1234567890 oder dem kompletten Fehlen einer Kontaktmöglichkeit. Versuche von Journalisten, viele der Personen telefonisch zu erreichen schlugen fehl.
Doch gibt es Hinweise darauf, dass es sich bei solchen Anzeigen um gezielte Manipulationsversuche handelt?
Hinweise in Telegram-Gruppen: Massen-Anzeigen könnten geplant sein
In impfkritischen Telegram-Gruppen findet man Hinweise auf solche Absprachen. In einer mehr als 11.000 Mitglieder umfassenden Gruppe von Pflege- und Krankenhauskräften haben in der vergangenen Woche mehrfach Nutzer berichtet, sie hätten gezielt Anzeigen geschaltet.
"Ich möchte euch mitteilen, dass mehrere Gruppen mit Pflege-/Klinikpersonal im Kreis Heilbronn eine Aktion macht. Wir werden alle ein Stellengesuch in der Heilbronner Stimme machen", schreibt ein Nutzer. "Die Anzeigen werden am Samstag, den 29.01. erscheinen. Inhalt sollte langjährig beschäftigt, ungeimpft und ab 16.03. enthalten."
"Samstag annoncieren, ungeimpfte Person xy Bereich sucht ab 15.3. neuen Wirkungskreis. Kurz und knapp 5-7 Euro pro Anzeige. Je mehr gesamt annoncieren, umso eher Gehör. Samstag nehmen sich viele Zeit für die Zeitungen", schreibt eine weitere Nutzerin.
Lokale Gruppen koordinieren sich miteinander
Teils suchen lokale Gruppen von Maßnahmengegnern auch den Kontakt zu anderen Regionen, um Anzeigenkampagnen zu besprechen.
Der Administrator einer Pflegekräfte-Gruppe postete mehrfach Screenshots solcher Anzeigen, die in Lokalmedien veröffentlicht wurden. Ob sie tatsächlich von Gruppen-Mitgliedern geschaltet wurden, ist unklar. ZDFheute kontaktierte auf Telegram eine Person aus dem Landkreis Heilbronn, die selbst angab, gezielt Anzeigen geschaltet zu haben, erhielt aber keine Reaktion.
Auch das Nachrichtenportal "t-online.de" berichtet über solche Chatverläufe in Telegram-Gruppen und verweist auf Beispiele, in denen Personen unter falscher Identität Anzeigen geschaltet haben sollen.
Nicht alle Anzeigen sind falsch
Was das Anzeigenschalten vereinfacht: Viele Zeitungen bieten die Möglichkeit, ohne Kontakt zu echten Mitarbeitern über Onlineportale zu annoncieren. Eine Kontrolle der Daten findet oft wohl nicht statt.
Nicht alle solcher Anzeigen von Ungeimpften sind aber falsch. Teils stehen auch echte Menschen dahinter, die sich wegen der Teil-Impfpflicht nach einer neuen Beschäftigung umsehen. ZDFheute konnte etwa zu Anzeigen im "Oberlausitzer Kurier" mehrere echte Personen identifizieren, die hinter den angegebenen Telefonnummern stehen. Wie viele der Anzeigen echt oder falsch sind, kann bislang nicht gesagt werden.
Beschäftigte hoffen, die Impfpflicht noch verhindern zu können
Mitte März soll die beschlossene Impfpflicht für Gesundheitsberufe in Kraft treten. Mit den Anzeigen hoffen Impfkritiker, sie doch noch verhindern zu können - indem sie ein Schreckensszenario fehlender Pflegekräfte an die Wand malen.
In einem Facebook-Forum für Pflegekräfte hoffen einige Nutzer auf ein Einlenken der Politik. "Ich warte bis auf den letzten Tag", schreibt eine Nutzerin. "Ich wurde zwar letzten Monat schon deswegen gekündigt, aber ich warte auch solange es geht", schreibt eine andere. Oder: "Bis zum 16.03. fließt noch viel Wasser den Rhein runter. Die Gesundheitsämter sind eh schon überlastet."
Diesen Druck wollen Impfgegner auf Telegram mit den Anzeigen weiter erhöhen: "Einen sehr hohen Krankenstand scheint es jetzt schon zu geben. Hinter den Kulissen soll es in den Krisenstäben bereits sehr hektisch zugehen. Ich glaube, wenn genug standhaft bleiben, wird diese Regelung nicht umgesetzt", schreibt dort ein Nutzer.
Wird die Teil-Impfpflicht doch noch verschoben?
Bleiben die Drohungen am Ende ohne Wirkung? Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sah vergangenen Dienstag noch keine Hinweise auf eine Kündigungswelle:
Die Impfquote in den Krankenhäusern sei bundesweit mit mehr als 90 Prozent sehr hoch, sagte DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß der "Rheinischen Post". "Aber es gibt regionale Unterschiede, und wir können nicht ausschließen, dass es an einzelnen Standorten auch zu Problemen kommen kann."
Die Caritas hingegen forderte am Samstag die Aussetzung der Teil-Impfpflicht. Laut "Tagesspiegel" soll es auch aus manchen Bundesländern neuen Widerstand gegen sie geben - aus Angst vor Personalengpässen. Es solle bis nach Einführung des Novavax-Impfstoffes gewartet werden.
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