In dieser Woche meldete das Robert-Koch-Institut erstmals seit 2020 keinen neuen Corona-Todesfall binnen 24 Stunden. Wieso diese Meldung nach Ansicht von Experten irreführend ist.
Am vergangenen Montag haben die Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut (RKI) keinen einzigen neuen Corona-Todesfall binnen 24 Stunden übermittelt. Zuletzt war das vor mehr als eineinhalb Jahren, am 21. September 2020, der Fall. Diese Meldung ist aber nach Ansicht von Experten kein Grund zum Aufatmen - und auch keine Prognose für die kommende Zeit.
Virologe: "Kein negativer Trend der Todeszahlen"
Vielmehr rät der Virologe Martin Stürmer bei den punktuell scheinbar gesunkenen Corona-Todesfällen zur Vorsicht. "Wir haben tendenziell keinen negativen Trend der Todeszahlen erlebt," erklärt er im Gespräch mit ZDFheute. Der Wissenschaftler vermutet:
Genau das empfiehlt auch das Robert-Koch-Institut. Im Bericht der letzten Woche weist das Institut darauf hin, die Werte könnten aufgrund der Osterfeiertage und -ferien unvollständig sein. In diesem Zusammenhang ist von einer "geringeren Testaktivität" und "Nachmeldungen" die Rede, die sich "nur eingeschränkt bewerten lassen“.
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Keine Datenübermittlung an Wochenenden
Anders als in der ersten Phase der Pandemie melden zudem nur noch wenige Bundesländer am Wochenende neue Fälle an das RKI. Die Werte werden von den jeweiligen Gesundheitsbehörden erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht.
Die RKI-Zahl von Montag zu Todesfällen ist also wenig aussagekräftig. Einen Tag später wurden bereits 240 neue Corona-Todesfälle gemeldet. Und auch in den Wochen zuvor gab es ähnlich hohe Schwankungen. So wurden am Montag vor einer Woche lediglich sechs neue Todesfälle von den Gesundheitsämtern gemeldet. Am Tag danach waren es 304 gemeldete Fälle.
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von Nils MetzgerCorona-Zahlen schwanken deutlich
Mathematik-Professor Kristan Schneider hat sich auf die Simulation epidemiologischer Prozesse spezialisiert. ZDFheute bestätigt der Wissenschaftler die Ungenauigkeit der Zahlen:
"Es gibt einfach Schwankungen durch Meldeverluste, deshalb sollte man keine einzelnen Tage betrachten", so Schneider - und empfiehlt stattdessen den 7-Tages-Durchschnitt.
Corona-Zahlen "eine Katastrophe"
Generell seien die Corona-Zahlen derzeit "eine Katastrophe", so Schneider. "Es wird einfach nicht mehr so viel getestet wie früher. Natürlich sind die Infektionszahlen dann nicht mehr so präzise wie zu anderen Zeiten der Pandemie", erklärt er.
Einzig auf die Anzahl der hospitalisierten Fälle und auf die Zahl der Todesfälle könne man sich derzeit noch verlassen, da die noch regelmäßig gemeldet werden würden - wenn auch manchmal mit Meldeverzug.
"Großes Bauchweh" bei Corona-Prognosen
Wegen der teils ungenauen Zahlen seien Prognosen zum weiteren Verlauf der Pandemie momentan problematisch, so Schneider. Man könne mittlerweile die Interventionen seitens der Regierung nicht mehr abschätzen. Hinzu kämen mögliche weitere Virusvarianten mit unbekannten Verläufen. Der Wissenschaftler gibt zu bedenken:
Stürmer: Weiterhin hohes Risiko für Ungeimpfte
Virologe Stürmer bleibt ebenfalls weiter skeptisch. Zwar sei es offensichtlich, dass durch die Omikron-Variante weniger Menschen ins Krankenhaus müssten und auch die schweren Verläufe deutlich seltener seien. Stürmer warnt jedoch: "Ein Ungeimpfter hat nach wie vor ein sehr hohes Risiko auch bei einer Infektion mit Omikron - wenn diese Person zum Beispiel zur Risikogruppe gehört - einen entsprechenden schweren Verlauf zu haben."
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