In Bayern hatten 30 Prozent aller Corona-Toten zuletzt eine volle Impfung. Davon sollte man sich nicht verunsichern lassen. Warum die Impfung vereinzelt nicht wirkt, wie sie soll.
Knapp 30 Prozent der bayerischen Corona-Toten im Oktober waren vollständig gegen das Coronavirus geimpft. In der ersten Novemberwoche lag der Anteil bei 26 Prozent. Diese neuen Zahlen des bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittel stärken bei manchen Menschen Zweifel an der Wirksamkeit der Impfung.
Davon sollte man sich nicht verunsichern lassen, denn die Impfstoffe schützen nach wie vor. Was diese Werte jedoch verdeutlichen, ist, wie wichtig die Auffrischungsimpfung ist. Ein Überblick, was die Zahlen aussagen und was nicht.
Geimpfte sind weiter absolute Minderheit unter Verstorbenen
Eine Impfung kann keinen einhundertprozentigen Schutz gegen das Coronavirus geben. Bereits in den Zulassungsstudien legten die Hersteller genau dar, welche Wirksamkeiten sie bei verschiedenen Personengruppen erwarten. Bereits in ihrem ersten Prüfbericht zum Biontech/Pfizer-Impfstoff vom Dezember 2020 weist die EU-Zulassungsbehörde EMA auf möglicherweise notwendige Booster-Impfungen hin:
"Die Dauer des Impfschutzes wurde bislang für etwa 100 Tage nach der ersten Dosis beobachtet. (...) Die Bewertung der Wirksamkeit über eine Zeit von sechs Monaten soll die Notwendigkeit und den angemessenen Zeitpunkt einer Booster-Dosis feststellen."
Der positive Effekt der Impfungen war überall dort, wo sie millionenfach verabreicht wurden, direkt spürbar. In Deutschland etwa waren sie mit dafür verantwortlich, die Inzidenzen bei alten Menschen während der dritten Welle im Frühjahr deutlich zu senken.
Dass in Bayern nun 108 der insgesamt 372 Todesopfer im Oktober einen vollen Impfstatus hatten, ist tragisch, aber kein Beleg, dass die Impfung auch nur annäherungsweise wirkungslos sei. Mit einer Impfquote von 65,4 Prozent liegt das Bundesland zwar unter dem Bundesschnitt. Ungeimpfte sind aber auch dort deutlich in der Minderheit - und machten im Zeitraum doch zwei Drittel der Covid-Toten aus.
Bei alten Menschen sinkt die Wirksamkeit schneller
Der wichtigste Faktor, der die beachtliche Zahl an geimpften Corona-Verstorbenen erklärt, ist ein mit der Zeit ganz natürlich abnehmender Antikörper-Schutz - sowohl nach einer Impfung wie auch nach einer Genesung. Bei alten oder kranken Menschen kann das Antikörperniveau dabei schneller abnehmen. Laut dem bayrischen Landesamt waren die meisten der nun gezählten Corona-Toten über 80 Jahren alt.
Solche Risikogruppen gehörten jedoch zu jenen, die mit höchster Priorität in der ersten Jahreshälfte geimpft wurden. Ihr Impfschutz nimmt nun als erstes ab. Wie lange das dauert, ist individuell unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab - auch vom eingesetzten Impfstoff. Hohes Alter, Vorerkrankungen oder ein geschwächtes Immunsystem können auch dazu führen, dass erst gar kein ausreichendes Niveau an Antikörpern aufgebaut werden kann.
Die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission nennt einen optimalen Auffrischungszeitpunkt "frühestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung". Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Altersgruppen gibt es bislang nicht.
- "Impfen ist erste Bürgerpflicht"
Impfen und Kontaktreduzierung seien "erste Bürgerpflicht", um der vierten Corona-"Monsterwelle" zu entkommen, warnt Infektiologe Wendtner bei ZDFheute.
Inzidenzen der Ungeimpften um ein Vielfaches höher
Niedrige Impfquoten gehen in Deutschland aktuell mit hohen Inzidenzen einher. Das genau zu untersuchen, ist kompliziert, da die Impfquoten anders als die Neuinfektionen weiterhin nicht Wohnort-spezifisch erfasst werden.
Viele Bundesländer veröffentlichen jedoch einmal wöchentlich eine Gegenüberstellung der Inzidenzen von Geimpften und Ungeimpften. Im Hotspot Sachsen sind die Werte besonders eindeutig: Bei den Geimpften sank die Inzidenz in den vergangenen sieben Tagen sogar von 140,6 auf 72,8. Bei den Ungeimpften stieg sie von 907,4 auf 1.388,5.
Je umfassender das Virus in der Gesellschaft zirkuliert, desto häufiger wird auch der Impfschutz auf die Probe gestellt. Die höhere Ansteckbarkeit der Delta-Variante tut ihr Übriges. Es kommt zu mehr und mehr Impfdurchbrüchen. So gefährden Impfverweigerer nicht nur sich selbst, sondern auch jene, die sich haben impfen lassen. Die viel beschworene Herdenimmunität kann sich nicht einstellen.
Booster-Impfungen sind Wettlauf gegen die Zeit
Nachhaltigen Schutz bieten darum nur umfassende Auffrischungsimpfungen.
Der Schutz vor einem schweren Verlauf sei nach vorliegenden Daten sogar effektiver als der kurz nach der zweiten Impfung. "Und auch der Schutz vor Ansteckung und Weitergabe einer Infektion ist sehr ausgeprägt und deutlich besser als bei Geimpften ohne die Auffrischung", sagte Zeeb.
Das Boostern ist jedoch ein Wettlauf gegen die Zeit: Kann die Kampagne mit den Impftempo von April und Juni nicht gleichziehen, damals gab es mehr als 300.000 Erstimpfungen pro Tag, so geht jeden Tag ein Teil des Impfschutzes in der Gesellschaft verloren.