Pandemie als Reisemangel: EuGH stärkt Urlauber-Rechte

    Pandemie als Reisemangel:EuGH: Rechtsanspruch auf Strand und Pool

    von Jan Henrich
    |

    Plötzliche Ausgangsbeschränkungen statt Urlaubsgenuss. Ein Ehepaar verlangte deswegen Ersatz des Reisepreises. Zu Recht, wie der Europäische Gerichtshof jetzt entschieden hat.

    Das Hotelrestaurant geschlossen, sogar die Pflanzen in der Lobby sind in Plastikfolie eingepackt. Eigentlich hatte sich ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen im März 2020 den Urlaub auf Gran Canaria anders vorgestellt. Strand, Pool, Animation - eine echte Pauschalreise eben. Der Reiseveranstalter gab grünes Licht, trotz erster Meldungen über Corona-Fälle in Europa.
    Doch nur zwei Tage nach der Ankunft schlug die Pandemie zu: Die Verwaltung schloss die Strände und erließ eine Ausgangssperre, das Hotel sperrte Pool und Liegeplätze. Mehr noch: Die Hotelgäste durften ihre Zimmer nur noch zum Essen oder zur Abholung von Getränken verlassen.
    Es folgte ein Rechtsstreit. Das Paar klagte auf Minderung des Reisepreises. Der Europäische Gerichtshof gab ihnen nun Recht: Pauschalreisende können unter bestimmten Umständen ihr Geld zurückverlangen, wenn die Reise von Corona-Maßnahmen durchkreuzt wurde.

    Besondere Rechte bei Pauschalreisen

    2018 hatte der deutsche Gesetzgeber das Reiserecht auf Basis einer EU-Richtlinie neu geregelt. Insbesondere im Rahmen sogenannter Pauschalreisen sind Verbraucher demnach umfassend geschützt. Damit gemeint sind alle Urlaube, bei denen mehrere Leistungen, beispielsweise Hotel und Flug, zusammen angeboten werden.
    Reisebranche optimistisch
    Während andere Branchen unter Inflation und Wirtschaftskrise ächzen, zeigt sich die Tourismus-Branche optimistisch für das Jahr 2023.29.12.2022 | 2:29 min
    Grundsätzlich gilt: Der Veranstalter muss die gesamte Reise frei von Mängeln gestalten. Entspricht der Urlaub nicht dem, was vorher vereinbart war, kann Minderung verlangt werden. Auch Schadensersatz und Rücktritt sind möglich.

    Amtsgericht lehnte Anspruch ab

    Das Ehepaar hatte für den entgangenen Urlaubsgenuss auf eine Rückerstattung in Höhe von 70 Prozent des anteiligen Reisepreises geklagt, doch das Amtsgericht München lehnte den Anspruch in erster Instanz ab. Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aufgrund eines tödlichen Virus würden keinen Reisemangel darstellen, so das Gericht.

    EuGH stärkt nun Rechte von Urlaubern

    Doch das sieht der Europäische Gerichtshof anders. In seinem heutigen Urteil stellten die Richter in Luxemburg klar, dass außergewöhnliche Umstände den Reiseveranstalter nicht von seiner Verpflichtung befreien, eine Preisminderung zu gewähren.
    Dayana Stosno und Artjom Rooter stehen mit ihren gepackten Koffern auf der Straße.
    Die schönste Zeit des Jahres wird oft schon lange im Voraus geplant. Doch in der Corona-Krise mussten viele Deutsche um ihren Urlaub bangen. Wie gingen sie damit um?10.05.2020 | 29:05 min
    Die Möglichkeit zur Minderung bestehe auch, wenn den Reiseveranstalter kein Verschulden trifft. Also auch dann, wenn die Reise von Corona-Maßnahmen durchkreuzt wurde. Wie hoch die Minderung allerdings genau ausfällt, muss nun das nationale Gericht erneut entscheiden.

    Verjährung könnte weiteren Klagen entgegenstehen

    Auch welche Auswirkungen das Urteil auf andere Fälle hat, in denen Reisende im Urlaub von Corona-Einschränkungen überrascht wurden, ist noch offen. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel könnten weitere Forderungen aus der Corona-Pandemie auf Reiseveranstalter zukommen.
    Jedoch nur, sofern die noch nicht verjährt sind, sagt der Experte für Reiserecht. Im Reiserecht gilt für die meisten Ansprüche eine Verjährungsfrist von nur zwei Jahren nach Urlaubsende.

    Auch Rücktrittsfragen wegen Corona beschäftigen Gerichte

    Tourismus in Zeiten der Pandemie - das Thema beschäftigt die Gerichte. Viele Verfahren drehen sich dabei auch um Rücktrittsfragen, sagt Hopperdietzel. Insbesondere zu Beginn der Pandemie hatten viele Urlauber gebuchte Reisen aus Sorge vor einer Ansteckung im Vorfeld storniert und waren auf hohen Stornokosten sitzen geblieben.
    Ob die gerechtfertigt waren, darüber hatten Gerichte zuletzt unterschiedlich entschieden. Im Fall einer 84-Jährigen, die kurz vor einer Donaukreuzfahrt im Juni 2020 aus Vorsicht wegen einer früheren Lungenentzündung von der geplanten Reise zurückgetreten war, hat der Bundesgerichtshof klargestellt: Die Frau muss keine Stornokosten zahlen.
    In anderen Fällen wurden die Verfahren allerdings auch dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Die Urteile stehen noch aus. Es wird also noch eine Weile dauern, bis alle Fragen zu Ansprüchen von Reisenden während der Pandemie geklärt sind.
    Jan Henrich ist Autor in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

    Mehr zu Urlaub nach der Pandemie

    Aktuelle Nachrichten zur Corona-Krise