Das Fernweh im zweiten Corona-Frühling ist groß, die Unsicherheit, wann und wie man wieder reisen kann, auch. Warum das sogenannte Caravaning durch die Krise Aufwind bekommen hat.
Schon vor der Corona-Pandemie stand Caravaning oder Campen hoch im Kurs: Mit einem Campervan kann man individuell, selbstbestimmt, spontan und immer woanders (hin)reisen.
Corona als Trend-Beschleuniger
"Wir sehen Corona vor allem als eine Art Beschleuniger des Caravaning-Trends. Für sich selbst unterwegs sein, nicht mit Menschenmassen am Check-in Schalter zu stehen und sich später Buffet und Pool zu teilen, und sich Gedanken über ein vergleichsweise nachhaltiges Reisen zu machen - diese Themen waren schon vorher da. Corona hat das Bewusstsein lediglich verschärft," sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD).
2020 konnte die Branche ein Umsatzplus von sechs Prozent verbuchen - trotz oder wegen der Krise. Auch 2021 rechnet der CIVD mit einem Umsatzplus von 10 Prozent. Das liegt natürlich auch am Mangel an Alternativen. Fernreisen waren in der Pandemie zeitweise gar nicht oder nur schwer möglich. Mit diversen Corona-Tests und, je nach Destination, 14-tägiger Quarantäne nach Reiserückkehr fühlt sich der Urlaub schnell nicht mehr wie Urlaub an. [Hier lesen Sie, welche Länder derzeit als Corona-Risikogebiete gelten.]
Dabei muss man nicht immer gleich einen Camper kaufen. "Für viele Menschen, die keine 30.000 Euro oder mehr für ein Neufahrzeug ausgeben wollen oder Caravaning erst einmal ausprobieren wollen, sind Mietangebote extrem attraktiv," sagt Onggowinarso. Laut CIVD wird ungefähr ein Drittel der Absatzes durch gewerbliche Vermieter erzielt. Auch Wohnmobil-Sharing erfreue sich wachsender Beliebtheit.
Leidenschaft für Handwerk
Oder aber man baut sich seinen Urlaub im wahrsten Sinne des Wortes selbst zusammen. Die Berliner Sandra (31) und Mirko Wakat (30) haben seit 2019 zwei Sprinter ausgebaut und reisen seitdem mit ihren beiden Kindern ausschließlich im DIY-Caravan. "Wir haben nie an ein fertiges Wohnmobil, sei es alt oder neu, gedacht. Wir wollten immer etwas eigenes, individuelles, schönes nach unseren Vorstellungen," erzählt Sandra Wakat.
Für Wakats ist Caravaning komfortabler als Zelten und im Schnitt günstiger als Flugreisen mit Kindern. Auch spontane Ausflüge am Wochenende lassen sich besser bewerkstelligen.
Autarkes Reisen in der Pandemie
Nach der ersten Corona-Welle im Spätsommer 2020 waren sie auf zweimonatiger Elternzeitreise in Frankreich und Portugal. Ohne große Einschränkungen oder Einreiseprobleme konnten die vier mit ihrem Camper autark stehen - dank Wasserreserven konnte die Familie tagelang unter sich bleiben.
Inzwischen hat sich die Situation etwas geändert. "Wir waren da im letzten Jahr sehr sorgenfrei unterwegs, jetzt ist man wegen Einreisebeschränkungen und Lockdowns nicht mehr so flexibel. Aber Ausflüge in Deutschland sind auch für dieses Jahr geplant", sagt Wakat.
Der Traum vom Vanlife kostet
Die Freiheit, binnen Stunden die Koffer packen und auf der Autobahn Richtung Urlaub unterwegs sein zu können, ist nicht billig. "Von der Illusion kostengünstiger zu Reisen als mit dem Flugzeug haben wir uns schnell verabschiedet. Wir hatten ganz zu Beginn ein Budgetlimit von 15.000 Euro, das haben wir deutlich verdoppelt. Die laufenden Kosten halten sich dafür aber in Grenzen", so die Berlinerin.
Dass immer mehr Menschen sich trotz der Kosten für Caravaning entscheiden, liegt laut CIVID auch daran, dass die Ansprüche sich verändern. "Heute ist die Pauschalreise - je billiger, desto besser - für viele nicht mehr erstrebenswert", sagt Daniel Onggowinarso.
Ein rollendes Zuhause
Die Work-Life-Balance ist der Grund, warum sich Muriel Geisel (30) und ihr Mann Julius entschieden haben, ihren ausgebauten Kastenwagen nicht nur zum Reisen zu nutzen, sondern auch in ihm zu leben. Lange hatten sie auf ein Jahr gelebtes Vanlife gespart, wegen der Corona-Pandemie platzte aber der Traum von einer Reise von Kanada nach Südamerika.
Alltag im Van
Das Paar aus Lichtenstein, Baden-Württemberg, musste vorerst in Deutschland bleiben - und sehnte das Ende der Reisewarnung herbei, um wenigstens durch Europa reisen zu können. Im Juni 2020 war es soweit. "Ab dann hat unser kompletter Alltag im Van stattgefunden. Wir haben uns entschieden, aus allem das Beste zu machen und waren acht Monate in Holland, Polen, im Baltikum, Norwegen, Italien und zuletzt in Griechenland unterwegs."
In Griechenland verbrachten sie die letzten vier Monate und den Lockdown vor Ort. Zurück nach Deutschland kamen sie, weil sie sich mehr Flexibilität wünschen - die soll bald in Form eines größeren Vans kommen.
"Wir wollen Freiheit. Das Leben ist mehr als nine to five", erzählt Geisel. Mit ihrem "rollenden Zuhause" wollen sie bald dauerhaft unterwegs sein.