Gesundheitsminister Lauterbach empfiehlt auch Jüngeren die vierte Corona-Impfung. Wie viele haben die bereits bekommen - und wie viel bringt der zweite Booster überhaupt?
Zwei Wochen habe sie flachgelegen, im Moment schaffe sie kaum mehr als zwei Etagen zu Fuß: Einen Monat nach ihrer Corona-Infektion leidet Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) immer noch an den Folgen ihrer Corona-Infektion. "Es hat mich wirklich niedergestreckt, trotz Vierfachimpfung", sagte sie dem "Stern".
Omikron hat die Pandemie verändert, weil es den Impfschutz besser umgeht als frühere Varianten. Zwar verlaufen die Infektionen in der Regel milder, dennoch schafft es Omikron, insgesamt mehr Menschen zu infizieren. Oft mit starken Symptomen, so wie bei der Außenministerin - und das, obwohl sie sich zweimal boostern ließ.
Nur wenige haben sich viermal impfen lassen
Damit ist sie eine der wenigen in Deutschland, die überhaupt eine vierte Impfung bekommen haben - nur 7,5 Prozent der Bevölkerung:
In Baerbocks Altersgruppe ist aktuell nur ein Bruchteil viermal geimpft. 2,3 Prozent der 18- bis 59-Jährigen haben die zweite Auffrischung laut Daten des Robert-Koch-Instituts bekommen. Und selbst bei den über 60-Jährigen ist nur eine von fünf Personen ein viertes Mal gegen Corona geimpft.
Insgesamt wurden bisher nur 6,2 Millionen Viertimpfungen verabreicht. Und allzu schnell geht das Impfen auch nicht voran: Im Schnitt werden aktuell nur 29.000 Menschen pro Tag zum vierten Mal geimpft.
Für wen empfiehlt die Stiko die vierte Impfung?
Allerdings empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) bisher auch nur wenigen Gruppen die vierte Impfung:
- Menschen über 70
- Bewohner in Alten- und Pflegeheimen
- Personen in der Eingliederungshilfe mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf
- Menschen über fünf Jahren mit Immunschwäche
- Personal im Gesundheitswesen, insbesondere solches mit direktem Patientenkontakt
Lauterbach empfiehlt vierte Impfung für Jüngere
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) würde noch einen Schritt weitergehen. Auch Menschen unter 60 rät er immer wieder zur vierten Impfung. Vor allem denjenigen, "die viele Kontakte haben und einen sorgenfreien Sommer durchleben wollen", würde er in Absprache mit dem Hausarzt die zweite Auffrischung empfehlen.
Wie gut schützt die vierte Impfung?
Mit einer Viertimpfung "hat man einfach eine ganz andere Sicherheit", begründete Lauterbach seinen Vorstoß. Das Long-Covid-Risiko sei "deutlich reduziert für ein paar Monate", ebenso das Infektionsrisiko.
Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), entgegnete, dass er keine Daten kenne, die einen solchen Ratschlag rechtfertigen würden. "Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto 'Viel hilft viel' auszusprechen", so Mertens in der "Welt am Sonntag".
Die vierte Impfung verstärkt laut ersten Studien vor allem bei Risikogruppen nochmal den Schutz vor einer Infektion, Hospitalisierung und Tod. Allerdings nicht mehr im gleichen Maße wie nach der dritten Impfung. Der Schutz vor Infektion lässt auch schnell wieder nach.
Erster Booster schützt zu bis zu 94 Prozent vor schweren Verläufen
In seinem aktuellen Impfbericht spricht das Robert-Koch-Institut noch nicht über die Effektivität der vierten Impfung. Gegen eine symptomatische Infektion mit Omikron schütze zumindest der erste Booster zu 44 bis 65 Prozent - gegen schwere Verläufe und Krankenhauseinweisung zu 78 bis 94 Prozent. Das gelte aber nur für die ersten drei Monate, für danach lägen noch nicht genügend Daten vor.
Eine israelische Studie mit Menschen in Pflegeheimen ergab kürzlich, dass die Viertimpfung bei dieser Risikogruppe zu 64 bis 67 Prozent vor einer Krankenhauseinweisung schützt - und nur zu 34 Prozent vor Ansteckung. "Die vierten Impfungen reduzieren Krankenhausaufenthalte und Todesfälle - sie sind Lebensretter", sagte die Mit-Autorin der Studie, Chitam Muhsen, der "Times of Israel".
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