Der Immunologe Carsten Watzl spricht über Drohungen gegen ihn, erklärt, warum er für eine Impfpflicht ist und gibt Tipps für das Weihnachtsfest mit Omikron.
ZDFheute: Seit Dienstag steht fest: Erst nach Weihnachten gibt es weitere Einschränkungen. Silvester ist mit maximal zehn Geimpften erlaubt. Reicht das gegen Omikron aus?
Carsten Watzl: Frühes Handeln ist immer besser als spätes Handeln. Es ist eine politische Entscheidung: Man möchte den Menschen nicht das Weihnachtsfest vermiesen.
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ZDFheute: Wie sollte ich mich an Weihnachten verhalten?
Watzl: Wenn man geimpft ist, vielleicht auch geboostert, ist man ungleich besser geschützt als Ungeimpfte. Wenn man sich davor noch testet, kann man auch einige Sachen machen.
ZDFheute: Omikron dürfte auch in Deutschland bald dominant sein, vermutlich spätestens im Januar. Was bringt Boostern da?
Watzl: Der Booster wirkt schon nach sieben Tagen und stellt einen guten Schutz vor einer Infektion dar. Vor allem schützt er gut vor einem schweren Verlauf. Das ist für die vulnerablen Gruppen zentral. Boostern wird eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht komplett verhindern können. Omikron wird viele Ungeimpfte erreichen, sie werden auch im Krankenhaus landen. Und leider auch einige Vulnerable. Deshalb sind Kontaktbeschränkungen auch wichtig.
- Lauterbach: Harter Lockdown nicht vom Tisch
Gesundheitsminister Lauterbach ist zuversichtlich, dass die beschlossenen Einschränkungen wirken. Je nach Fallzahlen stehe allerdings auch ein harter Lockdown zur Diskussion.
ZDFheute: Wenn Omikron jetzt bei den Ungeimpften durchrauscht - können wir dann nicht im Sommer in eine Endemie gelangen? In der das Virus zwar noch da ist, aber das Gesundheitssystem auch im Winter nicht mehr überlastet ist? Wir leben dann mit Sars-Cov-2.
Watzl: Viele Ungeimpfte werden sich mit Omikron infizieren, das würde aber nicht reichen, um im nächsten Winter nicht wieder Probleme zu bekommen. Die Impflücke wäre immer noch zu groß, fürchte ich. Außerdem würde das sehr viele Tote bedeuten.
ZDFheute: Braucht es dann eine allgemeine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren? Der Ethikrat hat sich jetzt dafür ausgesprochen.
Watzl: Ich war lange gegen eine Impfpflicht, aber es ist einfach keine Alternative, die pandemische Lage zwei bis drei Winter weiterlaufen zu lassen. Wir leben nun einmal zusammen und haben Verantwortung füreinander.
ZDFheute: Verstehen Sie Menschen, die sagen: Der Staat sollte mich nicht zwingen, mir etwas spritzen zu lassen, das ich nicht möchte.
Watzl: Einerseits ja. Andererseits verlangt der Staat auch in anderen Bereichen Dinge von mir. Bei den Pocken gab es schon einmal eine Impfpflicht.
Es wird vermutlich ein Bußgeld geben, wenn man sich nicht impfen lässt. Menschen könnten dann das Geld bezahlen - setzten sich dann natürlich dem Risiko der Infektion aus.
ZDFheute: Der Blick nach vorn: Wie sieht unser Leben mit dem Coronavirus aus?
Watzl: Wir alle werden uns früher oder später mit dem Virus infizieren. Unser Immunsystem kann dann durch eine vorige Impfung aber besser damit umgehen. Wenn das Virus endemisch ist, sollten sich vulnerable Gruppen vermutlich jedes Jahr impfen lassen, vielleicht auch alle zwei Jahre. Jüngere Menschen sollten sich eine Booster-Impfung abholen, wenn es mal wieder eine größere Mutation gibt - so wie Omikron eine ist. Das Ganze wäre dann vergleichbar mit der Grippeimpfung.
ZDFheute: Wie viel Verständnis haben Sie für Menschen, die sich nicht impfen lassen?
Watzl: Wenn die Weigerung auf Falschinformation beruht, wenn von einer Giftspritze die Rede ist, dann habe ich wenig Verständnis. Da wird angenommen, dass die Impfung gefährlicher als eine Infektion sei. Da fehlt es komplett an Fakten und Daten.
ZDFheute: Wurden Sie persönlich schon angegangen?
Watzl: Ich bekomme hin und wieder Mails, in denen ich unspezifisch bedroht werde. Oder Menschen, die mir erklären, weshalb ich rein gar nichts verstehen würde. Ich habe aber noch nichts an die Polizei gegeben, weil es nichts Konkretes war.
Sobald ich das Wort "Lockdown" in den Mund nehme, kriege ich sehr viel Rückmeldung.
Das Interview führte Julia Klaus.
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