Wie ein Weihnachtsbaum im Bundestag Corona-Schmuck bekam - und für Aufregung im Netz sorgte: die Geschichte hinter einer Empörungswelle im Netz.
"Erhöhtes Kommentaraufkommen", so nennt es das Social-Media-Team von ZDFheute. Übersetzt: Ein Facebook-Post sorgt für Aufregung. Beziehungsweise ein Foto aus dem Bundestag, das die Redaktion gepostet hat.
Wut und Empörung über "Virus-Kugeln"
"Geschmacklos", schreiben viele dazu. "Furchtbar", heißt es. Oder: "Für unsere Politiker scheint Corona ein großer Spaß zu sein oder wie soll man das werten?", kommentiert ein User.
Das Foto zeigt einen Weihnachtsbaum, der seit kurzem im Paul-Löbe-Haus steht - in einem der Gebäude des Bundestags also, in dem viele Abgeordnete ihre Büros haben.
Der Baum trägt in diesem Jahr einen besonderen Schmuck: Kugeln, die wie das Coronavirus aussehen. Was im Netz viele empört.
Die Wut richtet sich, wie so oft, gegen "die Politik" allgemein. Die mitten in einer Pandemie mit zahlreichen Toten "das Volk" mit solchen Kugeln "verhöhne".
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie gehen viele Bundesländer eigene Wege. Mehrere Länder wollen nun über die Festtage Hotelübernachtungen für Familienbesuche erlauben.
Haarscharf an den Fakten vorbei
Es ist ein dankbares Ziel - vor allem im Netz, vor allem in diesen Zeiten. Wie immer in solchen Fällen: alles überdreht und oft haarscharf vorbei an den Fakten.
Ein paar Tage nach dem Post meldet sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke beim ZDF. Sie wolle dazu etwas klarstellen.
Kinder haben Corona-Schmuck gebastelt
Tatsächlich ist der Weihnachtsbaum nur einer von mehreren, die in den verschiedenen Gebäuden des Bundestags stehen. Er kommt aus dem Naturpark Dahme-Heideseen, aus Schimkes Wahlkreis in Brandenburg. Schimke hatte den Baum daher auch mit überreicht.
Der Schmuck wurde von Kindern gestaltet - ohne irgendeine Vorgabe aus der Politik. Schülerinnen und Schüler der Grundschule im brandenburgischen Prieros durften einfach mal basteln. Ein besonderer Auftrag. Heraus kam etwas, was die Kinder tagtäglich beschäftigt, einschränkt und belastet: Styroporkugeln, die aussehen wie das Coronavirus.
"Uns war schon bewusst, dass das zu Diskussionen führen könnte", sagt Schimke nun zu ZDFheute.
Grundschulleiterin: Spiegelt Lebenswirklichkeit der Kinder
Anruf bei der Leiterin der Grundschule, Juliane Götze. Um die Kinder zu schützen, will sie die Aufregung nicht weiter kommentieren. Ihre Stellungnahme finde man online - so heikel ist das Thema offenbar bereits.
Auf der Homepage der Schule schreibt die Rektorin unter anderem: "Wären es Snowboarder, Skifahrer, Schlitten, Schneebälle oder Palmen gewesen, die die Kinder gebastelt hätten, all die Dinge, die für viele in der Weihnachtszeit dazu gehören - wäre die Diskussion vielleicht vager und diffuser gewesen, entspräche jedoch nicht der Lebenswirklichkeit der Kinder." Und weiter:
Auf der Seite finden sich weitere Statements - von Lehrerinnen und Lehrern, von Eltern, einem Vertreter der Gemeinde. Es gab aber offenbar viel zu erklären.
Und so ist die Aufregung um ein paar von Kindern gebastelte Kugeln mal wieder ein kleines Lehrstück darüber, wie Kommunikation in diesen Zeiten funktioniert - beziehungsweise: schiefläuft.
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