Die Bilder aus Italien sind noch im Kopf: ein Militärkonvoi voller Särge, überlastete Spitäler, Ärzte, Pfleger. Nun rollt eine zweite Welle an - früher und heftiger als erwartet.
Die steigenden Corona-Zahlen bringen die ohnehin arme Millionenstadt Neapel völlig zum Erliegen. Fachleute führen das auch auf die Wiederaufnahme des Schulunterrichts zurück. Wegen Kürzungen im Gesundheitssystem droht jetzt der medizinische Kollaps.
An diesem Mittwoch meldete Italien 32.961 neue Corona-Fälle und überschritt damit die Zahl von einer Million Infizierten. Seit dem Ausbruch der Corona-Krise zählt Italien damit insgesamt 1.028.424 Corona-Positive. In den vergangenen 24 Stunden sind 623 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben.
Im Sommer noch verzeichnete Italien vergleichsweise niedrige Infektionszahlen - anders als Nachbarländer wie Frankreich. Viele Italiener hatten gehofft, dass es dabei bleiben werde.
Steigende Corona-Zahlen in Neapel: Wegen Kürzungen im Gesundheitssystem droht jetzt der medizinische Kollaps.
Denn die Bilder aus Italien haben sich in die Köpfe gebrannt. Bilder eines Militärkonvois voller Särge, Krankenhäuser, die an ihre Grenzen kommen, erschöpfte Ärzte und Pfleger, die plötzlich über Leben und Tod entscheiden mussten. Es waren Bilder aus der Lombardei und der Emilia-Romagna. Doch diesmal könnte es nicht nur den Norden treffen.
Zweite Corona-Welle erwischt auch Süden Italiens
"Der harte Lockdown im Frühjahr hatte relativ erfolgreich verhindert, dass sich Corona aus der Krisenregion im Norden in den Süden ausbreiten konnte. Das ist jetzt anders", berichtet ZDF-Korrespondent Andreas Postel aus Rom.
"Die zweite Corona-Welle hat nun auch den Süden Italiens voll erwischt und trifft dort auf ein marodes Gesundheitssystem, das einem größeren Ansturm von Patienten nicht gewachsen ist", so Postel. Es müsse befürchtet werden, dass die Infektionszahlen weiter steigen. Wenn die Infektionszahlen nicht gesenkt werden können, zeichnet sich eine dramatische Situation ab.
Italiens Krankenhäuser "kurz vor dem Zusammenbruch"
Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch meldet, hat Italien nun die Schwelle von 3.000 Intensivpatienten überschritten. Insgesamt seien 3.081 Patienten derzeit auf einer Intensivstation, allein in den vergangenen 24 Stunden kamen 110 dazu. Die Höchstgrenze hatte Italien am 3. April mit 4.068 intensivmedizinisch Betreuten verzeichnet.
In einem offenen Brief warnen Ärzte und Pfleger in Italien schon jetzt vor einer "dramatischen" Krankenhaus-Situation. Die Krankenhäuser stünden "kurz vor dem Zusammenbruch, da es an Personal und Betten mangelt, angesichts des abnormalen Zuwachses von Patienten und der schwindelerregenden Ausbreitung der Covid-Infektionen".
Die Stadt Bergamo im Norden Italiens steht immer noch unter Schock. 6.000 Menschen sind allein in dieser Provinz an Corona gestorben.
Italien teilt seine Regionen in gelbe, orangene und rote Zonen ein - je nach epidemiologischer Lage und Risiko. Am Mittwoch hat das italienische Gesundheitsministerium gleich mehrere Regionen hochgestuft. Die Regionen Abruzzen, Basilikata, Ligurien, Toskana und Umbrien werden orange Zonen. Die Autonome Provinz Bozen wird zur roten Zone.
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Südtirol erlegt sich selbst harte Maßnahmen auf
Bozen geht ab dem kommenden Samstag allerdings einen eigenen Weg in der Corona-Politik: Dann treten neue, strengere Corona-Maßnahmen in Kraft - zunächst für zwei Wochen.
"Damit will die Landesregierung den bevorstehenden Entscheidungen auf nationaler Ebene zuvorkommen und vor allem die steigenden Zahlen wieder in den Griff bekommen", berichtet ZDF-Korrespondent Postel.
Schulschließungen und Corona-Massentests
"Wichtigste Neuerung im Vergleich zum übrigen Italien: Die Schulen werden am 16. November schließen und Schüler ab der ersten Mittelschule im Fernunterricht unterrichtet. Außerdem will Südtirol eine Massentestreihe starten, um die Dunkelziffer von asymptomatischen Covid-Patienten aufzudecken."
"Wir haben uns im Gesundheitssystem mit ausreichend Schutzkleidung, mehr Intensiv- und Krankenhausbetten auf die zweite Welle vorbereitet, die allerdings früher und heftiger angerollt ist, als vorausgesehen", unterstreicht Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag.
Mit strengen Maßnahmen versucht Italien gegen die unerwartet große zweite Welle vorzugehen. Die Bilder aus dem Frühjahr sollen sich nicht wiederholen - nirgends in Italien.
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"Wir müssen entscheiden, wer überlebt"Die Corona-Krise bringt die Krankenhäuser in Italien an ihre Grenzen. Eine Krankenschwester aus Parma über den verzweifelten Kampf gegen Covid-19 und ihre Warnung für Deutschland.