Wegen Corona sehen viele Politiker Weihnachten im Familienkreis in Gefahr. Worauf man achten sollte, damit die Feiertage nicht einsam werden, erklärt Therapeutin Sarah Beyer.
ZDFheute: Weihnachten gilt seit jeher als Fest der Entschleunigung. Brauchen wir die im Corona-Jahr überhaupt noch?
Sarah Beyer: Wir befinden uns derzeit in einem gezwungenen sozialen Rückzug, was ja normalerweise die Qualität an Weihnachten ausmacht: Alles steht ein bisschen still und wir können innehalten. Aber all das müssen wir ja jetzt schon im Lockdown machen. Man kann sich also fragen: Wie viel Lust werden wir an Weihnachten nochmal darauf haben? Und wie geht es uns dann letztlich damit?
ZDFheute: Wieso haben so viele Menschen Sorge vor einem Weihnachtsfest unter Corona-Bedingungen?
Beyer: Weihnachten ist als Familienfest mittlerweile emotional völlig überfrachtet. Wir haben alle sehr hohe Erwartungen an Weihnachten, auch durch unsere Kindheitserinnerungen. Dazu kommt noch, dass wir in der Weihnachtszeit von den Medien überall Bilder und Filme von glücklichen und idealtypischen Familien und Paaren gezeigt bekommen. Je mehr dann meine eigene Realität davon abweicht, desto unglücklicher fühle ich mich.
ZDFheute: Wie kann man denn - trotz eines möglichen Teil-Shutdown - ein besinnliches Weihnachtsfest mit der Familie haben?
Beyer: Einsamkeit entsteht aus dem Gefühl, sozial nicht verbunden, ausgeschlossen zu sein. Wenn man sich einsam fühlt, sollte man den Kontakt und die emotionale Verbundenheit zu anderen Menschen suchen. Wenn das körperlich nicht möglich ist, dann natürlich über Medien, zum Beispiel über Videotelefonie. Die Gehirnforschung hat herausgefunden, dass allein schon das Bild eines geliebten Menschen hilft, das Gefühl von Einsamkeit zu vermindern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat um Verständnis für die umstrittenen Corona-Maßnahmen geworben. Hauptstadt-Korrespondentin Shakuntala Banerjee mit einer Einschätzung.
ZDFheute: Was können Alleinstehende tun, damit die Weihnachtszeit trotzdem schön wird?
Beyer: Gegen Einsamkeit hilft auf jeden Fall, mit anderen Menschen etwas gemeinsam zu tun. Es hilft auch, anderen Menschen etwas zu geben und ihnen zu helfen. Schauen Sie doch mal: Wer ist denn in meinem Umfeld vielleicht auch alleine? Vielleicht sogar in der Nachbarschaft? Wen könnte ich denn mal ansprechen?
ZDFheute: Worauf müssen denn Paare achten, wenn sie tatsächlich nur zu zweit sein dürfen und ihnen die Decke auf den Kopf fällt?
Beyer: Als Paartherapeutin merke ich gerade, dass die Paare, die ohnehin schon in einer Krise sind, es in der Kontaktbeschränkung noch schwerer haben. Mein Tipp: Versuchen Sie, miteinander ins Gespräch zu kommen. Fragen Sie Ihren Partner doch einmal: Wie geht es dir denn mit all dem momentan? Wenn man Mitgefühl füreinander entwickeln kann, gibt es weniger Raum für Streit oder Verletzungen. Das wirkt wie ein Gegengift.
Darüber hinaus kann man den Blick auf die Dinge lenken, die gut laufen. In der Krise neigen wir dazu, nur noch die Dinge zu sehen, die nicht passen. Aber auch da als Tipp: Fragen Sie sich, wo geht's uns denn gut als Paar, was läuft denn noch gut zwischen uns? Vielleicht kann man sich so wieder freuen, dass man einander hat. Das kann eine ganz andere Stimmung in der Partnerschaft erzeugen.
Wenn man als Paar trotzdem immer wieder heftig streitet, empfehle ich, gemeinsam einen "Nicht-Angriffspakt" über die Weihnachtstage zu schließen, um zumindest den Kindern ein friedliches Fest zu ermöglichen.
Sarah Beyer ist systemische Therapeutin aus München und arbeitet als Single- und Beziehungscoach.