Die Corona-Maßnahmen lassen die Menschen innehalten - und die Erde deutlich ruhiger werden. Warum das die Erdbeben-Forscher freut.
Die Corona-Krise bietet Erdbeben-Forschern ungeahnte Chancen. Durch den wochenlangen Stillstand vieler gesellschaftlicher Bereiche ist es auch auf der Erdoberfläche ruhiger geworden. Die Folge: Erdbeben-Signale waren besser zu erkennen als vor dem Corona-Lockdown.
Corona-Stille birgt neue Erkenntnisse
"Die Abnahme der Bodenbewegung war an vielen Stationen deutlich messbar", sagt Seismologe Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Von der Auswertung der Daten aus der Zeit der Corona-Stille erhofft sich der Geophysiker viele neue Erkenntnisse für die Erdbeben-Forschung.
"Ich hoffe, dass wir an ein paar Messstellen Signale sehen werden, die wir sonst nicht entdeckt hätten", sagt der KIT-Professor. Die Forscher gehen davon aus, dass sie mehr Mikro-Beben aufspüren, die für die Vorhersage größerer Erdbeben von Bedeutung sind.
Bodenunruhe stört Forscher
Normalerweise könne man die Signale der kleinen Beben nicht hören, so Ritter. Sie würden von natürlichem "seismischem Rauschen" durch Wind und Meer, aber auch durch menschliche Quellen wie Verkehr, Bauarbeiten und Industrie übertönt.
Quelle: dpa
Vor allem schwere Lastwagen, Eisenbahnen und Windräder hinterlassen charakteristische Signale und lassen die Erde schwingen. Tagsüber ist diese Bodenunruhe stärker als nachts, an Werktagen heftiger als am Wochenende. Vor allem das vom Menschen verursachte Rauschen übertönt die meisten Erdbebenwellen - und stört die Forscher. Normalerweise.
Weniger Lärm in Großstädten
Seismologen in Deutschland und Europa registrieren nach Angaben des KIT-Wissenschaftlers im Schnitt "20 bis 30 Prozent weniger Geräuschemissionen" seit Mitte März.
Besonders auffallend war die Reduktion in großen Städten wie Mailand oder Stuttgart und an stark frequentierten Verkehrsachsen. So wenig Rauschen gebe es sonst nur an Weihnachten oder Ostern, sagt Ritter.
Erbeben-Forscher als wichtige Ratgeber
Noch haben Seismologen nicht alle der bundesweit rund 300 Messstellen
- darunter mehr als 50 in Baden-Württemberg - auswerten können. Ritter ist sich aber sicher, dass die Ergebnisse Stoff für "einige Studien in den nächsten Jahren" bieten werden.
Ziel der Auswertungen sei auch die Erdbeben-Vorhersage: "Wir können sagen, wo es ein Beben geben wird und wie stark es wird - aber nicht, wann das sein wird." Ritter veranschaulicht das so: "Es ist wie bei einem Gummiband: Ich sehe den Spannungsaufbau, weiß aber nicht, wie weit sich das Gummi noch dehnt, bevor es reißt."
Erdbeben-Forscher sind dennoch wichtige Ratgeber: Sie wissen, wo Bauten erdbebensicher errichtet werden müssen und auch, wo man besser keine Chemiefabrik hinstellt.
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