Einen neuen Lockdown will Frankreich unbedingt verhindern. Doch es gibt immer mehr Infektionen; heute wurde ein Rekordwert erreicht. Paris versucht es jetzt mit lokalen Maßnahmen.
In Frankreich haben sich innerhalb von 24 Stunden fast 10.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. In einer Sondersitzung will die Regierung über neue Schutzmaßnahmen beraten.
Angesichts der massiv gestiegenen Corona-Infektionszahlen will Frankreich alles tun, um einen neuen landesweiten Lockdown zu vermeiden. Premierminister Jean Castex sagte am Freitag nach einer Krisensitzung unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron, es werde vorerst keine "allgemeinen Ausgangsbeschränkungen" geben.
Krankenhäsuer schlagen wieder Alarm
Stattdessen rief Castex die Behörden in besonders betroffenen Städten wie Marseille und Bordeaux sowie im Überseegebiet Gouadeloupe auf, bis Montag örtlich begrenzte Maßnahmen vorzuschlagen. Dort klagen die Krankenhäuser über steigenden Druck.
Der Leiter der Notfallaufnahme im Pariser Krankenhaus Georges Pompidou, Philippe Juvin, äußerte im Sender BFM-TV die Befürchtung, dass in Risikogebieten "in zwei bis drei Wochen wieder 50 Prozent der Beatmungsplätze belegt" sein könnten.
Infektionszahlen steigen rasant
Frankreich ist eines der am stärksten betroffenen Länder in Europa. Zuletzt hatte es einen Höchststand von fast 10.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Castex sprach von einer "deutlichen Verschlechterung" der Situation. Der Corona-Warnwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche ist im Landesschnitt mit 72 Fällen deutlich überschritten. Insgesamt haben sich in Frankreich 401.794 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, 30.899 starben an oder mit Covid19 (Stand 11. September, 19.28 Uhr).
Als besonders kritisch gilt die Lage in der Hafenstadt Marseille mit 275 Fällen. In Paris sind es aktuell 144 Fälle. Die Regierung weist inzwischen 42 der hundert Verwaltungsbezirke als "rote Zonen" aus, wo sich das Virus "aktiv verbreitet". Das sind 14 mehr als noch vor knapp einer Woche. Dies gibt den örtlichen Behörden die Möglichkeit für verschärfte Maßnahmen.
Deutschland warnt aktuell vor Reisen in verschiedene französische Regionen, neben Paris und der Côte d'Azur kam zuletzt auch der Südwesten dazu.
Für diese Regionen in Frankreich gilt eine Reisewarnung
- Île-de-France
- Provence-Alpes-Côte-d’Azur
- Auvergne-Rhône-Alpes
- Occitanie
- Nouvelle-Aquitaine
- Korsika
- Französisch-Guyana
- St. Martin
- Guadeloupe
In ersten Regionen traten bereits neue Maßnahmen in Kraft: Im nordfranzösischen Verwaltungsbezirk Pas-de-Calais müssen unter anderem Bars, Restaurants und Geschäfte mit Spät- oder Alkoholverkauf vorerst spätestens um 0.30 Uhr schließen. Die Stadt Nizza untersagte Besuche in den städtischen Alten- und Pflegeheimen.
Zugleich verkürzt die Regierung die Quarantänezeit wie angekündigt von 14 auf sieben Tage. Damit soll für eine bessere Akzeptanz geworben werden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums halten viele Franzosen die Selbstisolation nicht ein. "Seien Sie sehr vorsichtig", riet Castex den Bürgern.
Kein neuer Lockdown: ZDF-Korrespondentin Christel Haas ordnet die Entscheidung der Regierung ein.
Der Premier äußerte sich bei einer Fernsehansprache ohne Publikum. Er ist selbst in freiwilliger Quarantäne, weil er Kontakt zum infizierten Direktor der Tour de France, Christian Prudhomme hatte. Ein erster Corona-Test bei Castex fiel negativ aus.
Bereits jetzt gelten in Frankreich zum Teil schärfere Regeln als in Deutschland und anderen Nachbarstaaten: In Unternehmen und den meisten Schulen gilt eine Maskenpflicht. In Paris und zahlreichen anderen französischen Großstädten muss der Mund-Nasen-Schutz zudem auch im Freien getragen werden.
- Warum es in Europa nicht mehr Todesfälle gibt
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