Darf die Polizei auf Gästelisten in Restaurants und Cafés zugreifen? Unter bestimmten Voraussetzungen ja, sagen Behörden. So sieht es in den Bundesländern aus.
Sie dienen eigentlich dazu, Infektionsketten nachzuverfolgen - in Einzelfällen greift aber auch die Polizei darauf zurück oder es kommt gar zu Datenmissbrauch: Corona-Gästelisten, die in Restaurants und Cafés ausliegen.
Der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz, Dieter Kugelmann, erklärte ZDFheute, dass etwa ein dutzend Mal von der rheinland-pfälzischen Polizei auf die Gästedaten zugegriffen wurde. Das passiere aber nur bei schweren und sehr schweren Straftaten und erfolge ausschließlich mit einem richterlichen Beschluss, sagte zuvor sein Stellvertreter, Helmut Eiermann.
Kugelmann und seiner Behörde sei aus Rheinland-Pfalz zudem ein Fall bekannt, in dem eine männliche Bedienung die Daten nutzte, um privat Kontakt mit einer Restaurant-Besucherin aufzunehmen. Der "Spiegel" berichtete von einem ähnlichen Fall in Schleswig-Holstein, bei dem ein Pförtner eine Anwältin anschrieb, nachdem er ihre Nummer der Besucherliste entnommen hatte.
Die Zahl solcher Fälle sei insgesamt aber sehr gering, betonte Kugelmann.
Beschlagnahmung zur Strafverfolgung möglich
Die Daten aus den Gästelisten sind vorrangig für die Gesundheitsämter bestimmt und wichtige Recherchequelle bei einem Corona-Ausbruch. Meistens wird auf den Formularen Vertraulichkeit und eine Löschung nach vier Wochen zugesichert. Sind Zugriffe der Polizei da überhaupt zulässig?
Die Polizei oder die Innenministerien in Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen meldeten, dass ihnen bislang keine Zugriffe auf Corona-Gästelisten bekannt seien. Die Behörden wiesen aber darauf hin, dass solche Zugriffe im Rahmen von Strafverfahren unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit rechtlich durchaus erlaubt seien. Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums erklärte, eine solche Maßnahme müsse "stets in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der jeweiligen Tat stehen".
Grundlage dafür ist die bundesweit geltende Strafprozessordnung. Demnach kann ein Richter anordnen, Gegenstände zu beschlagnahmen - das könnten auch Corona-Gästelisten sein, wenn sie für Ermittlungen von Bedeutung sind. Ist Gefahr im Verzug, kann das auch ein Staatsanwalt anordnen. Auch wenn die Daten grundsätzlich nur für den eigentlichen Zweck genutzt werden dürften, sei für die Aufklärung von Straftaten eine "Zweckänderung" möglich, heißt es etwa bei der bayerischen Polizei.
- "Einmal Name und Adresse bitte"
In fast allen Bundesländern müssen Restaurants die Kontaktdaten ihrer Gäste erfassen. Nicht nur Datenschützern bereitet das Sorge.
Zugriffe in Hamburg und Bayern
In Hamburg sind bislang fünf Fälle bekannt, in denen die Polizei für Ermittlungen auf Gästedaten zurückgegriffen hatte, in Bayern sind es mindestens zehn. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte in der ARD:
In Bremen spricht die Innenbehörde von Zugriffen in Einzelfällen. Dabei ging es jeweils um die Aufklärung von Straftaten, unter anderem ein Sexualdelikt und eine gefährliche Körperverletzung.
Reaktionen auf den Polizeizugriff auf Gästelisten
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Baden-Württemberg betont Zweckbindung
Eine bundesweit einheitliche Registrierungspflicht für Gäste in Restaurants und Cafés gibt es nicht. In Sachsen etwa ist sie nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgeschrieben, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden können. Viele Länder verlangen solche Listen aber - um Corona-Infektionsketten nachverfolgen zu können.
Baden-Württemberg etwa beruft sich auf diese Zielsetzung. Aus der Corona-Verordnung "ergibt sich eine ausdrückliche und aus unserer Sicht eindeutige Zweckbindung", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Ressortchef Thomas Strobl (CDU) machte in den Zeitungen der Funke-Gruppe deutlich: "Eine Verwendung etwa von der Polizei, um Straftaten zu verfolgen, ist unzulässig."
Bislang keine Zugriffe auf Corona-Gästelisten bei strafrechtlichen Ermittlungen meldeten die Innenministerien in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Entsprechende Abfragen habe es noch nicht gegeben, sagte etwa eine Ministeriumssprecherin in Erfurt. Möglich seien sie nur in begründeten Ausnahmen.
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