Armut ist jung: In Deutschland kommen viele Kinder und Jugendliche zu kurz, schon viel zu lange. Schade, dass wir für diese Erkenntnis das Coronavirus brauchen.
Kein Unterricht, keine Schulspeisung, leere Spielplätze: Kinder und Jugendliche gehören zu den Verlierern der Corona-Krise. Das gesellschaftliche Bedauern darüber ist einhellig. Und leider etwas scheinheilig, denn dass viele Kinder und Jugendliche durchs Raster fallen, ist nicht gerade neu.
Im Gegenteil: Der prozentuale Anteil der Kinder und Jugendlichen in Hartz-IV-Haushalten steigt weiter an. Nicht etwa die Senioren, sondern Kinder unter 18 Jahren und junge Erwachsene unter 25 Jahren sind die in Deutschland am stärksten von Armut betroffene Altersgruppe.
Kinder aus sozial schwachen Familien sind Verlierer der Corona-Krise. Orte wie das Projekt "Sonnenblume" in Bremerhaven, an denen sie lernen und spielen können, waren lange dicht.
Familien stehen vor bürokratischen Monstern
Und der Staat schaut einfach zu? Nein, er verteilt weit mehr als 100 Familienleistungen - vom Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Elterngeld bis hin zu den Pauschalen des Bildungs- und Teilhabepakets.
So weit, so schlecht, denn viele dieser Leistungen sind bürokratische Monster. Allein beim Bildungs- und Teilhabepaket bleibt rund ein Drittel der Gesamtausgaben in der Verwaltung hängen. Viele Leistungen müssen gesondert beantragt werden, Eltern haben es also mit unterschiedlichen Behörden und Sachbearbeitern zu tun.
Es gehört nicht viel Phantasie zu der Vorstellung, wie stigmatisierend dieser Behördenmarathon ist.
Kinderarmut liegt seit Jahren in Deutschland auf konstant hohem Niveau. Mindestens jedes fünfte Kind wächst arm auf. Dabei fließen viele Milliarden in die Unterstützung von Familien.
Sozialgeld und Kindergeld werden verrechnet
Danke für nichts: Denn viele Leistungen stehen in Wechselwirkung miteinander - oder wohl eher gegeneinander. Bei Eltern beispielsweise, die Sozialleistungen erhalten, wird das Kindergeld mit dem Sozialgeld verrechnet.
Das ist symptomatisch, denn von den familienbezogenen Leistungen in Deutschland fließt mehr Geld an die reichsten zehn Prozent der Haushalte als an die ärmsten zehn Prozent. Wer hat, dem wird gegeben.
Arme Eltern stehen pauschal unter Verdacht
Warum nur ist die Unterstützung für Kinder und Jugendliche so kompliziert und ungerecht? Weil arme Eltern pauschal unter Verdacht stehen, das Geld für ihre Kinder zu veruntreuen. Nach dem Motto: Der Schulausflug kann warten, der neue Fernseher ist dringender.
Doch ist da was dran? Nein. Aus einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung geht klar hervor, dass staatliche Geldleistungen für Kinder "durchaus den vorgesehenen Zweck erfüllen".
Mehr finanzielle Direkthilfe und weniger Sachleistung, mehr Eigenverantwortung der Eltern und weniger Gängelung. Eine Kindergrundsicherung, die nicht mit anderen staatlichen Leistungen verrechnet wird, wäre ein guter Anfang.
Eva Schmidt ist Redakteurin und Moderatorin beim 3sat-Wirtschaftsmagazin makro.
Der Autorin auf Twitter folgen @schmidtteilung
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