Lateinamerika steuert wegen der Corona-Pandemie auf eine große Wirtschaftskrise zu. Davon profitieren könnten die Drogenkartelle.
Die Corona-Krise hat zahlreiche Länder in Lateinamerika fest im Griff. Während die Infektions- und Todeszahlen weiter steigen, wächst die Sorge über die langfristigen sozialen Folgen der Pandemie. Nahezu alle Wirtschaftsprognosen sagen für das laufende Jahr einen massiven Einbruch der Ökonomie in der Region voraus.
Diese drei lateinamerikanischen Länder könnten am schlimmsten betroffen sein:
- Venezuela mit minus 26 Prozent
- Peru mit minus 13 Prozent
- Argentinien mit minus 10,5 Prozent
Quelle: Prognose der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik der Vereinten Nationen (Cepal)
Corona beeinflusst Kokain-Produktion
"Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Menschen in Armut um rund 45 Millionen zunehmen wird", sagte Cepal-Exekutivsekretärin Alicia Barcena vor wenigen Tagen. Für die gesamte Region sagte die Kommission einen Wirtschaftseinbruch um 9,1 Prozent als Folge der Corona-Krise voraus.
Laut einem Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hat die Rezession auch Folgen für die Drogenproduktion. Neben Peru werde die Wirtschaft auch in Kolumbien und Bolivien schrumpfen. Und in diesen drei Ländern findet praktisch die gesamte weltweite Kokain-Produktion statt.
Mehr Arbeitslosigkeit, mehr Drogenanbau
Zu erwarten ist, dass diese schwerwiegende wirtschaftliche Rezession und der daraus resultierende Verlust von Arbeitsplätzen dazu führen wird, dass mehr Menschen in den Koka-Anbau wechseln. Für viele gäbe es keine anderen Optionen, um Einkommen zu generieren, so das UN-Büro. Nicht nur die Drogenproduktion, auch ihre Bekämpfung könnte von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen sein.
In Bolivien würden die staatlichen Behörden in ihren Möglichkeiten, den Koka-Anbau zu kontrollieren, eingeschränkt werden. Das wiederum könnte ebenfalls zu einer Steigerung des Anbaus führen. Zwar hätten staatliche Maßnahmen kurzfristige Erfolge im Anbau in Kolumbien sowie preisbedingte Rückgänge in der Produktion in Peru erzielt. Doch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise seien zu stark. Die Agentur warnt:
Drogenkartelle nutzen Krise zur Inszenierung
Zugleich nutzten die Drogenkartelle die Wirtschaftskrise dafür, durch vordergründige "soziale Aktivitäten" ihr Ansehen bei der Bevölkerung zu erhöhen. Und: "Wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt, die Einnahmen weiter sinken und die Preise für Kokain oder Heroin weiter hoch bleiben, erhöht das die Attraktivität für eine Zugehörigkeit zu einem Drogenkartell."
Kolumbiens Ex-Präsident (2010 bis 2018) und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos forderte am Wochenende in einem Interview mit der Tageszeitung "O Estado" ein generelles Umdenken in der Drogenpolitik, die bislang zu keinem Erfolg geführt habe:
Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem bewaffneten Konflikt um die Vormachtstellung im Drogenhandel zwischen linken Guerilla-Gruppen und rechten Paramilitärs sowie der Armee. Ihre Mitglieder rekrutieren nahezu alle am Konflikt beteiligten Gruppierungen in den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten.
Santos wirbt deshalb für einen neuen Ansatz in der Anti-Drogen-Politik: "Man muss den Markt regulieren, diese Regulierung wird es dann erlauben, dem Drogenhandel das schlechte Geld wegzunehmen." Das Verbot sei der Ursprung des Scheiterns in der Anti-Drogen-Politik.
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