Um sie zu schützen und eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern, hatte Großbritannien Tausende Obdachlose in Hotels untergebracht. Damit könnte bald Schluss sein.
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Gut 14.600 Wohnungslosen in England verschaffte die Regierung von Premierminister Boris Johnson wegen der Corona-Pandemie eine ordentliche Unterkunft, allein 4.450 in London. Hilfsorganisationen hatten gewarnt, auf den Straßen oder in überfüllten Unterkünften seien sie besonders anfällig für den Erreger.
Viele bekamen deshalb Zimmer in vorerst geschlossenen Hotels - sicher und komfortabel, wie es manche seit Jahren nicht mehr kannten. Jetzt müssen die Menschen befürchten, bald wieder unter Brücken und auf Parkbänken schlafen zu müssen.
Hotelzimmer machte Hoffnung
Auch Lisa, chronisch krank und ohne festen Wohnsitz, bezog im März auf Vermittlung der Organisation Glass Door ein Hotelzimmer. "Ich war begeistert", sagt die Mittdreißigerin am Telefon. "In einem Bett zu schlafen - ich fühlte mich wie im siebten Himmel!" Doch ihr Zimmer in einem Londoner Hotel ist nur bis Ende Juni gesichert - sie wird zunehmend nervös. Die Unterbringung im Hotel habe ihr "einen Hoffnungsschimmer, dass die Dinge sich ändern können", gegeben, sagt Lisa.
Verbände fordern Hilfe für Obdachlose
Nachdem in Großbritannien bereits mehr als 41.000 mit dem Coronavirus infizierte Menschen starben, fordern Hilfsorganisationen von den Behörden klare Aussagen, wie es für die Wohnsitzlosen weitergeht. "Die Leute wieder auf die Straße zu setzen, sollte keine Option sein", sagt Glass-Door-Geschäftsführerin Lucy Abraham.
Balbir Chatrik von der Jugendhilfe-Organisation Centrepoint berichtet, einige Wohnungslose hätten die Gelegenheit genutzt und in einem Mietverhältnis bleiben können. "Doch noch viel mehr brauchen intensive Unterstützung, die nur in Verbindung mit einer stabilen Unterkunft geleistet werden kann."
Wer in den ärmeren Teilen Großbritanniens lebt und sich mit Corona infiziert, hat schlechtere Aussichten zu überleben, als in reicheren Teilen des Landes.
Mangel an bezahlbarem Wohnraum
Nach jahrelangen Sparmaßnahmen herrscht in Großbritannien erheblicher Mangel an erschwinglichem Wohnraum. Nach Angaben von Hilfsorganisationen nahm Obdachlosigkeit in den vergangenen zehn Jahren um 141 Prozent zu. Nun könnte sie durch die schwere Wirtschaftskrise und steigende Arbeitslosigkeit aufgrund der Pandemie noch weiter wachsen.
Die Hilfsorganisationen schlagen daher Alarm. Zudem befürchten einige, dass staatliche Hilfen für Migranten wieder vom Aufenthaltsstatus abhängig gemacht werden. Vor seiner Wahl hatte Regierungschef Johnson versprochen, die Obdachlosigkeit mit einem umgerechnet 731 Millionen Euro schweren Programm innerhalb von fünf Jahren zu beenden. Wohnungsbauminister Robert Jenrick will den Bau von 6.000 neuen Wohneinheiten beschleunigen - 3.300 im kommenden Jahr.
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