Ein Experte geht davon aus, dass die Luftkühlung die Corona-Ausbreitung bei Tönnies befeuert haben könnte. Eine generelle Angst vor Klimaanlagen ist aber unberechtigt.
Spurensuche nach dem Fleisch-Skandal: Was berichten ehemalige Tönnies-Mitarbeiter, die nach Rumänien zurückgekehrt sind?
Es sind viele Umstände, die zum Corona-Ausbruch in der Tönnies-Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück beigetragen haben. Etwa die Kälte in der Fabrik oder die beengten Verhältnisse, in denen viele der osteuropäischen Arbeiter leben mussten. Der Bonner Hygiene-Experte Martin Exner hat auf einen weiteren möglichen Grund verwiesen: die Luftkühlung im Zerlegebetrieb, wo sich besonders viele Menschen angesteckt haben.
In dem Bereich werde die Luft auf sechs bis zehn Grad Celsius heruntergekühlt, während die Arbeiter bei hohem Tempo und harter, körperlicher Belastung die geschlachteten Schweine zerlegen, sagte Exner bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Um die Luft zu kühlen, werde diese aus dem Raum gezogen, gekühlt und zurück in den Raum gebracht.
Um zu verhindern, dass Viren über dieses System verteilt werden, schlägt Exner Hochleistungsfilter und UV-Strahlen als Lösung vor. In Krankenhäusern würden diese Hochleistungsfilter bereits in Operationssälen eingesetzt.
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Wie groß ist die Corona-Gefahr durch Klimaanlagen?
Diese Beobachtung lässt vermuten, dass Klimaanlagen etwa in Flugzeugen, Bahnen oder Büros einen ähnlichen Effekt haben. Doch ist eine Sorge berechtigt?
Eine Studie, die das Virusgeschehen in einem fensterlosen, chinesischen Restaurant untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass Klimaanlagen eine Übertragung durchaus fördern können. Der Schlüsselfaktor für die Infektionen mancher Restaurantbesucher sei die Richtung des Luftstroms gewesen. "Die Luftströmungsrichtung stimmte mit der Tröpfchenübertragung überein", schreiben die Forscher.
Aerosole - winzige, unsichtbare Partikel. Wie gefährlich sind sie? Wie groß ist ihr Anteil an der Verbreitung der Coronaviren? Ein großangelegter Versuch will Klarheit bringen.
Umweltbundesamt: Klimaanlagen brauchen regelmäßige Wartung und Kontrolle
Auch das Umweltbundesamt hält es in seiner Einschätzung für "grundsätzlich denkbar, dass diese Viren über Lüftungsanlagen übertragen werden können." Es bestehe aber kein Risiko, wenn die Luftführung konsequent getrennt voneinander erfolgt. Wichtig sei eine regelmäßige Wartung und Kontrolle.
Ähnlich sieht es der Fachverband Gebäude-Klima. Moderne raumlufttechnische (RLT) Anlagen hätten nur ein geringes Übertragungsrisiko. Gleichzeitig rät er von einem Umluftbetrieb wie bei Tönnies ab.
Hepa-Filter sollen Flugzeuge vor Corona schützen
Flugzeugbauer verweisen zudem auf Schwebstofffilter (Hepa-Filter) in ihren Klimaanlagen, die 99,97 Prozent der Aerosole herausfilterten und in allen Flugzeugen Standard seien. Auch in Krankenhäusern oder bestimmten industriellen Gebäuden, wo es auf hohe Keim- und Partikelarmut ankommt, werden solche Hepa-Filter eingesetzt.
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Welche Orte Corona-Ausbreitungen befördernNach Ausbrüchen in Hochhäusern und Schlachthöfen ist eine Debatte um Corona-Hotspots entstanden. Welche räumlichen Faktoren begünstigen eine Ausbreitung? Ein Überblick.
von Katja BelousovaIm Wohnungsbau oder in Bürogebäuden sind sie hingegen nicht üblich - ebenso wenig wie bei der Deutschen Bahn. Ein Bahn-Sprecher erklärte auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa:
Zur Frage der Aerosole machte das Unternehmen bisher keine Angaben.
Fazit
Bei modernen Klimaanlagen, die gewartet sind und den deutschen Richtlinien entsprechen, ist eine Übertragung des neuartigen Coronavirus nach aktuellem Wissensstand also sehr unwahrscheinlich. Hepa-Filter können für zusätzliche Sicherheit sorgen. Von einem Umluftbetrieb raten Experten hingegen ab.
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Wie die Situation in Ihrer Region aussiehtOb Corona-Maßnahmen gelockert oder verschärft werden, hängt auch von der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz ab. Eine Karte zeigt, ob die Obergrenze in Ihrer Region eingehalten wird.
von Simon Haas