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Terra X - die Wissens-Kolumne : Wie eine Droge bei Depression Hoffnung weckt

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Klassische Antidepressiva wirken bei vielen Patienten nicht. Eine neue Therapie mit der "Partydroge" Ketamin schenkt Hoffnung. Kann eine Droge bei Depressionen helfen?

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Jasmina Neudecker

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Andreas leidet seit seiner Kindheit unter schweren Depressionen. Beim Treffen mit ihm bin ich nervös. Das Thema ist noch ein Tabu und super intim. Aber Andreas erzählt offen von Hoffnungslosigkeit und lähmender Gefühlslosigkeit. Er berichtet auch von Suizidgedanken - mich überläuft ein kalter Schauer, denn ja: Eine Depression kann tödlich enden.

Aktuell sind rund eine halbe Million Menschen allein zwischen 25 bis 35 Jahren an Depressionen erkrankt. Was läuft bei einer Depression eigentlich "schief" im Gehirn? Was kann helfen?

Depressionen gehen häufig mit erhöhten Entzündungswerten einher. Dabei spielen Stresshormone und unser Immunsystem eine besondere Rolle und können zum Auslöser von Depressionen werden.

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5 min
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Nicht bei jeder Depression helfen Antidepressiva

Andreas gehört leider zu dem einen Drittel der Erkrankten, bei denen klassische Antidepressiva nicht anschlagen. Bei leichteren Depressionen hilft oft Gesprächstherapie, bei schwerer Erkrankung können Psychopharmaka wichtig sein - gerade bei Suizidgefahr. Wie genau klassische Antidepressiva stimmungsaufhellend wirken, ist bis heute nicht ganz klar. Sie beruhen auf der Theorie, dass bestimmte Botenstoffe aus dem Gleichgewicht geraten sind und sollen genau das wiederherstellen.

Unser Hirn arbeitet, indem Signale von Nervenzellen weitergeleitet werden. Zwischen den einzelnen Zellen - am synaptischen Spalt - braucht es dafür Botenstoffe: die Neurotransmitter. Einer davon ist Serotonin, das sogenannte "Glückshormon".

Theorie: Depression beruht auf Serotonin-Mangel

In den 50er Jahren wurde zufällig ein Medikament entdeckt, das stimmungsaufhellend wirkt - es hat über Umwege die Verfügbarkeit von Serotonin im synaptischen Spalt erhöht. Damit war die Theorie geboren, dass eine Depression auf einem Mangel an Serotonin beruht. Oder zumindest damit und verwandten Neurotransmittern etwas zu tun hat.

Seitdem wurden viele neue Medikamente entwickelt, wie die "Selektiven-Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer" (SSRI), die alle das Ziel haben, für ein Mehr an Serotonin im synaptischen Spalt zu sorgen.

Allerdings konnte diese Serotonin-Hypothese so nicht bestätigt werden. Studien konnten zum Beispiel nie einen Serotoninmangel bei Depression nachweisen. Heute geht die Forschung davon aus, dass eine Depression biochemisch komplexer ist und damit womöglich auch der Wirkmechanismus der Antidepressiva.

Neuroplastizität des Gehirns bei Depression stark eingeschränkt

Stichwort Neuroplastizität: Das ist die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen, neue Synapsen, neue Netzwerke zu bilden. Die Neuroplastizität scheint bei einer Depression stark eingeschränkt. Klassische Antidepressiva erhöhen anscheinend auch die Neuroplastizität.

Damit Antidepressiva ihre Wirkung gezielter entfalten, hilft ein Gentest das passende Medikament und optimale Dosierung herauszufinden.

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Das bedeutet auch: Neue Stoffklassen, die nicht direkt über Serotonin wirken, könnten womöglich bisher therapieresistenten Menschen helfen. Genau da kommt Ketamin ins Spiel.

Ketamin als Partydroge "Special K" sehr beliebt

Ketamin, eigentlich ein Narkosemittel in der Notfallmedizin, wird wegen seiner halluzinogen, also bewusstseinserweiternden Nebenwirkungen nur noch selten genutzt. Als Partydroge "Special K" hingegen ist Ketamin beliebt: Es verändert die Wahrnehmung und löst Halluzinationen aus. Aber: Das können auch Horrortrips sein.

In Studien hat sich etwas sehr Faszinierendes gezeigt: Ketamin wirkt sehr schnell stimmungsaufhellend. Bei klassischen Antidepressiva setzt dieser Effekt meist erst nach einigen Wochen ein - das ist gerade bei akuter Suizidgefahr ein großes Problem. Bei Ketamin zeigen Studien aber bei 70 Prozent der Menschen schon nach einem Tag einen deutlichen Effekt. Es wirkt auch bei denjenigen, bei denen die klassische Therapie nicht anschlägt.

Ketamin-Wirkung muss noch nachhaltiger werden

Das große Aber: Der Effekt hält meist nur eine oder wenige Wochen an. Die Hoffnung der Forschenden ist jetzt, die Wirkung von Ketamin durch die Kombination mit einer Gesprächstherapie nachhaltig zu machen. Ketamin soll dabei wie ein Türöffner für den Beginn der Gesprächstherapie funktionieren. Es zeigt den Patient*innen im besten Fall für einen Moment: Es ist nicht hoffnungslos, es gibt einen Lichtblick.

Dabei hilft wohl tatsächlich auch die Nebenwirkung von Ketamin: der bewusstseinserweiternde, halluzinogene Effekt. Die Idee dabei ist, dass Patient*innen in diesem Zustand zu neuen Erkenntnissen kommen können, mit denen man dann weiterarbeiten kann.

Andreas hat mir gesagt: Ich habe zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wieder weinen können.

Wie fühlen sich psychedelische Drogen an und können sie Andreas weiterhelfen? Hier erlebt Ihr die ganze Geschichte.

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20 min
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Auch eine Hilfe: Offen über Erkankung sprechen

Depression ist eine wellenförmig verlaufende Erkrankung. Ein Wellental zu durchbrechen, heißt leider nicht, dass das auch beim nächsten gelingt. Eine psychoaktive Substanz wie Ketamin könnte in ärztlicher Begleitung helfen, eingefahrene, depressive Denkmuster kurzfristig aufzubrechen und schwer depressive Patient*innen überhaupt wieder zugänglich für Psychotherapie zu machen. Es bleibt die Hoffnung, dass die weitere Forschung an Ketamin Wege findet, wie der Effekt verlässlich dauerhaft und nachhaltig bleibt. Bisher wird die Therapie noch nicht von der Krankenkasse gezahlt.

Eins wurde mir jedenfalls klar: offen über die Erkrankung und mögliche Therapieoptionen zu sprechen, hilft zu enttabuisieren.

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