Bahn-Sabotage: Polizei vermutet politische Motivation
Bahn-Sabotage in Norddeutschland:Polizei vermutet politische Motivation
10.10.2022 | 12:28
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Die Sabotage des Bahn-Netzes am Wochenende beschäftigt weiter den Staatsschutz. Ermittler in Nordrhein-Westfalen gehen nun von einer "politisch motivierten Tat" aus.
Niedersachsen, Hannover: Ein ICE steht im Hauptbahnhof Hannover an einem verwaisten Bahnsteig, nachdem der Fernverkehr in Norddeutschland zum Erliegen gekommen ist.
Quelle: Moritz Frankenberg/dpa
Im Fall der folgenschweren Bahn-Sabotage vom Wochenende geht der Staatsschutz in Bochum von einer "politisch motivierten Tat" aus. Das sagte ein Polizeisprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben eine größere Ermittlungsgruppe beim Staatsschutz gebildet, die mit Hochdruck daran arbeitet, die Hintergründe der Tat zu klären."
Der Bochumer Staatsschutz ermittelt zum Tatort in Herne. Da auch Berlin ein Sabotage-Ort war, stehen die Ermittler aus dem Ruhrgebiet in engem Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen des Landeskriminalamts in der Hauptstadt. Auch dort ermittelt der Staatsschutz.
Kommunikationskabel zerstört
Unbekannte hatten am Samstag wichtige Kommunikationskabel der Deutschen Bahn in Berlin und auch in Nordrhein-Westfalen zerstört. Daraufhin stand der Bahnverkehr in Norddeutschland über mehrere Stunden größtenteils still, weil die Kommunikation zwischen den Leitstellen, die den Zugverkehr steuern, und den Zügen nicht mehr möglich war.
Unzählige Fahrgäste strandeten an den großen Bahnhöfen. An Auskunftsschaltern bildeten sich lange Warteschlangen. Nach Angaben der Deutschen Bahn normalisierte sich der Zugverkehr am Sonntag wieder.
Gezielter Angriff
Vieles deutet auf einen gezielten Angriff hin. Nach Angaben eines Sprechers der Bundespolizeidirektion Berlin gab es einen Tatort in der Bundeshauptstadt und einen weiteren in Nordrhein-Westfalen.
Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien in beiden Fällen vorsätzlich sogenannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen.
Eine Infrastruktur-Störung hat am Morgen den Zugverkehr in Norddeutschland lahmgelegt. Laut Verkehrsminister Wissing sind "mutwillig an zwei Standorten Kabel durchtrennt worden".
IT-Sicherheitsexperten zufolge könnte es sich bei der gezielten Sabotage am Kabelnetzwerk der Deutschen Bahn um einen Testlauf gehandelt haben. Michael Wiesner, Sprecher des Expertengremiums Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AG Kritis), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe:
Es könnte nur ein Testdurchlauf gewesen sein, um die Auswirkungen einer solchen Sabotage zu sehen.
Michael Wiesner, AG Kritis
Staatliche Sabotage denkbar
Nach Einschätzungen aus Sicherheitskreisen setzt das Vorgehen Insiderwissen über die Bahn voraus. Dass bislang kein Bekennerschreiben bekannt wurde, spricht gegen Täter aus der linksextremistischen Szene, denen in der Vergangenheit Anschläge gegen die Bahn zugeschrieben wurden.
Die "Bild"-Zeitung berichtete am Sonntag, das Bundeskriminalamt (BKA) halte in einer internen Einschätzung auch staatliche Sabotage für denkbar. BKA und Bundesinnenministerium kommentierten den Bericht auf Nachfrage nicht.
Sicherheitsexperte: Russland hat Interesse
Der Sicherheitsexperte Peter Neumann hält einen Angriff Russlands auf die kritische Infrastruktur in Deutschland für möglich. "Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann", sagte der Wissenschaftler dem Sender RTL.
Es benötige erhebliches Wissen, um diese Knotenpunkte anzugreifen. Allerdings gebe es natürlich keine eindeutigen Beweise. "Momentan ist es noch eine Theorie." Die Bahn betonte, dass die Notfallkonzepte des Konzerns "optimal gegriffen". "Unsere Teams haben den Funkverkehr bereits drei Stunden nach dem Ausfall wieder hergestellt", sagte Fernverkehrsvorstand Michael Peterson am Montag in Berlin.
Der Krieg in der Ukraine, aber auch der Sabotageakt bei der Bahn geben zu denken: Es mehren sich Rufe nach einem besseren Schutz der kritischen Infrastruktur in Deutschland.
Bundespolizei mehr Befugnisse verschaffen
In der SPD gibt es einem Bericht zufolge Überlegungen, der Bundespolizei mehr Befugnisse zu verschaffen.
Die Bedrohungslage ist hoch. Dies haben die Sabotageakte auf unsere Infrastruktur nochmal sehr deutlich gemacht.
Dirk Wiese, SPD-Fraktionsvize
Wichtig sei daher, "dass unsere Sicherheitsbehörden die erforderlichen Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung haben. Insbesondere müssen wir jetzt sehr schnell ein modernes Bundespolizeigesetz im Bundestag auf den Weg bringen," so Weise zur "Rheinischen Post".
Die letzte Reform sei aus dem Jahre 1994, seitdem habe sich viel geändert. 2021 scheiterte eine Reform des Bundespolizeigesetzes im Bundesrat.