Im Juni war die documenta 15 wegen eines antisemitischen Kunstwerks in die Kritik geraten. Es wurde abgebaut, die Generaldirektorin trat zurück. Nun gibt es neue Vorwürfe.
Der Antisemitismus-Eklat um die documenta fifteen setzt sich fort: Auf der Weltkunstschau in Kassel sind weitere als antisemitisch kritisierte Motive gefunden worden. Nach Angaben der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) hat ein Besucher der Ausstellung entsprechende Darstellungen im Museum Fridericianum bemerkt und RIAS Hessen gemeldet. Die Recherche- und Informationsstelle habe die Meldung verifiziert, sagte Projektleiterin Susanne Urban am Mittwoch. Zunächst hatte die "Jüdische Allgemeine" berichtet.
Es handelt sich laut Urban um Darstellungen in einer Broschüre mit dem Titel "Presence des Femmes", die 1988 in Algier erschienen ist. Die darin enthaltenen Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly zeigten teils antisemitische Stereotype und das Land Palästina, versehen mit Einordnungen, die dem Staat Israel seine Legitimität absprächen.
documenta-Generaldirektorin legte Amt nieder
Ausgestellt hat die Broschüre den Angaben zufolge die Initiative "Archives des luttes des femmes en Algérie" ("Archive der Frauenkämpfe in Algerien"). Deren Ziel ist es, "ein digitales und frei zugängliches Archiv mit Dokumenten zu feministischen Kollektiven und Vereinigungen Algeriens aufzubauen, insbesondere solchen, die seit der Unabhängigkeit des Landes 1962 entstanden", heißt es auf der Internetseite der documenta. Eine Einordnung der Broschüre zu dem Thema des Frauenarchives habe nicht stattgefunden, so Urban.
Im Juni wurde nach Antisemitismus-Vorwürfen um ein documenta-Kunstwerk, das Juden in erniedrigender Weise darstellt, das betroffene Banner entfernt.
Mit der Entdeckung der kritisierten Zeichnungen setzt sich der Antisemitismus-Eklat um die diesjährige documenta fort. Kurz nach der Eröffnung der neben der Biennale in Venedig bedeutsamsten Ausstellung für Gegenwartskunst Mitte Juni war ein Werk mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgebaut worden. Schon Monate zuvor hatte es Antisemitismus-Vorwürfe gegen das kuratierende Künstlerkollektiv Ruangrupa aus Indonesien gegeben. Infolge des Skandals legte documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann ihr Amt nieder. Als Interims-Geschäftsführer wurde Alexander Farenholtz berufen.
Documenta äußert sich zunächst nicht
Farenholtz hatte erst kürzlich gesagt, die documenta sei als Ausstellung auf einem "hervorragenden Kurs", und betont, es werde keine Prüfung der verbliebenen Kunstwerke geben: "Unter keinen Umständen darf der Eindruck entstehen, dass durch die fachwissenschaftliche Begleitung eine Kontrollinstanz eingeführt wird", sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Nach dem Antisemitismus-Eklat der diesjährigen Weltkunstaustellung hat die documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann Konsequenzen gezogen und ihr Amt niedergelegt.
Zu den erneuten Vorwürfen äußerte sich die documenta am Mittwoch zunächst nicht. Die Stadt Kassel, deren Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) Aufsichtsratsvorsitzender der documenta ist, verwies auf die Geschäftsführung der Schau.
Überprüfung der Inhalte gefordert
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der "Bild"-Zeitung, das Versagen der Verantwortlichen gehe damit weiter. "Diese Hassbilder zeigen, dass auch die neue documenta-Leitung immer noch nicht die notwendigen inhaltlichen und strukturellen Konsequenzen aus dem bisherigen Skandal gezogen hat." Klein fordert die komplette Sichtung und Überprüfung aller Ausstellungsstücke auf antisemitische Inhalte.
Alle fünf Jahre findet in Kassel einer der wichtigsten Kunstaustellungen der Welt statt. Morgen eröffnet die mittlerweile 15. Documenta. Auf was sich Kunstfans dieses Jahr gefasst machen können.
RIAS Hessen ist am Demokratiezentrum Hessen an der Philipps-Universität Marburg angesiedelt. Die Anlaufstelle nimmt hessenweit antisemitische Vorfälle auf und dokumentiert sie in Monitoring-Berichten. Mit ihr solle Antisemitismus "ganz gezielt auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfasst, analysiert, dokumentiert und damit auch bekämpft werden", erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) anlässlich ihrer Freischaltung im April dieses Jahres.