Der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse hält es für möglich, dass Russland technisch gesehen den Ukraine-Krieg gewinnen könnte - auf moralischer Ebene aber nicht.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu meldete heute seinem Präsidenten Wladimir Putin, dass alles nach Plan laufe. Gleichzeitig sieht man aber nach inzwischen 17 Tagen Krieg auch Bilder von russischen Panzern, die teils kampflos aufgegeben werden. Es gibt Probleme mit der Logistik und auch mit der Taktik – sowie erheblichen Widerstand der Ukrainer. Im ZDF heute journal analysiert der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse die aktuelle Lage in der Ukraine. [Sehen Sie das ganze Interview im obigen Video und lesen Sie es hier in Auszügen]
Warum erscheint die russische Armee zumindest teilweise in Unordnung?
Für Domröse sei das eine Moralfrage. Denn einerseits sehe man den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wie er aus dem Bunker heraus die Ukrainer motiviere. Den russischen Präsidenten Putin sehe man wiederum an seinem langen Tisch, in Videokonferenzen mit seinen Ministern, ohne Nähe zu seinen kämpfenden Truppen und mit einem Angriffsziel, dass Domröse als "sehr zweifelhaft" bezeichnet. Wer von Panzern absteige, der habe moralische Schwierigkeiten und Loyalitätsprobleme, erklärt er.
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Werden eroberte Gebiete auch tatsächlich von Russland kontrolliert?
Eine flächendeckende Kontrolle durch die russische Armee könne sich der ehemalige Nato-General nicht vorstellen. Denn der Bogen, den sie da beschreiten würden, eine 1.000 Kilometer lange Front mit vier Divisionen – das sei "lächerlich". Das würden sie nie schaffen, sagt Domröse.
Denn überall seien motivierte Ukrainer, die ihre Freiheit und ihr Land verteidigen wollen würden. Die russische Armee könnte an jeder Ecke angegriffen werden, was den Angreifer zermürbe, erklärt Domröse.
Kann Putin den Krieg noch gewinnen?
Technisch gesehen könnte Putin auf Dauer gesehen noch gewinnen, so Domröse. Denn er habe noch viel in der Hinterhand. So könne Putin etwa mit der Luftwaffe Ziele "zerbomben".
Aber heroische Einsätze könne Putin offensichtlich nicht, sagt Domröse. Es werde zäh werden und viel Blut kosten. Moralisch gesehen würden die Ukrainer aber gewinnen.
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Könnte Putin dazu bewogen werden, die Invasion zu stoppen?
"Nein", sagt Domröse. Putins strategische Zielsetzung, die "Entnazifizierung" und Entwaffnung der gesamten Ukraine sei aber nicht zu erreichen. So seien westlich des Flusses Dnjepr noch keine nennenswerten Bodentruppen gewesen, lediglich ein paar Schläge. Die Frage sei, was für Putin gut genug sei, um es als Sieg zu deklarieren.
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Könnten noch schwerere Waffen eingesetzt werden?
Wenn man überhaupt nicht vorankäme, aber gewinnen müsse, weil man der Überzeugung sei, dass man das Richtige tue, dann könnten härtere Schläge folgen. Ein immer höherer "Blutzoll" und eine immer größere Zerstörung der Infrastruktur seien denkbare Folgen, so Domröse. Beide Präsidenten müssten also irgendwann erkennen, dass sie ihre Ziele nicht erreichen könnten und zu einem Kompromiss kommen.
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