28:28 min
Gewinnung von Energie:Wissenschaftlicher Durchbruch bei Kernfusion
13.12.2022 | 16:15
|
Sauber und sicher Energie gewinnen durch Kernfusion: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den USA ist ein historischer Durchbruch auf diesem Feld gelungen.
Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler daran, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Nun ist Kernforschern in den USA Zeitungsberichten zufolge ein entscheidender Durchbruch gelungen. Ein Überblick, wie Kernfusion funktioniert, welche Vorteile sie bringt und zum Stand der Wissenschaft:
Die Energie der Sterne
In Atomkraftwerken werden Atomkerne gespalten, um Energie zu gewinnen. Im Gegensatz dazu werden bei der Kernfusion zwei leichte Atomkerne (Wasserstoff) zu einem schweren (Helium) verschmolzen. Auch dabei wird Energie freigesetzt. Dieser Prozess findet in den Sternen statt, also auch in der Sonne.
Die Kernfusion ist auf der Erde nur möglich, indem man Materie auf sehr hohe Temperaturen von über 100 Millionen Grad erhitzt. "Wir müssen also Wege finden, um diese extrem heiße Materie von allem zu isolieren, was sie abkühlen könnte", erklärt Érik Lefebvre, Projektleiter bei der französischen Atomenergiebehörde (CEA).
Zwei Methoden der Fusion
Eine Methode besteht darin, die Fusionsreaktion mit Magneten einzudämmen. In einem riesigen Reaktor in Form eines Donuts werden leichte Wasserstoffatome (Deuterium und Tritium) erhitzt, bis sie den Zustand eines Plasmas erreichen, eines Gases von sehr geringer Dichte.
Magnete begrenzen das wirbelnde Plasma und verhindern, dass es mit den Wänden der Kammer in Berührung kommt, während die Atome zusammenstoßen und zu fusionieren beginnen. Dieser Reaktortyp wird im internationalen Großprojekt ITER, das derzeit in Frankreich gebaut wird, sowie im Joint European Torus (JET) in der Nähe von Oxford in Großbritannien verwendet.
Eine zweite Methode ist die Trägheitsfusion. Hierbei werden Hochenergielaser gleichzeitig auf einen fingerhutgroßen Zylinder mit Wasserstoff gerichtet. Diese Technik wird beim französischen Megajoule-Laser (LMJ) und dem weltweit am weitesten fortgeschrittenen Fusionsprojekt, der National Ignition Facility (NIF) in Kalifornien, eingesetzt.
Bei diesen Projekten geht es in erster Linie darum, die physikalischen Grundsätze der Fusion zu demonstrieren. Bei den anderen Reaktortypen hingegen wird versucht, zukünftige Fusionsreaktoren zu erproben.
Stand der Forschung
Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler, eine Möglichkeit zu finden, mit der Kernfusion mehr Energie zu erzeugen, als benötigt wird, um die Reaktion in Gang zu setzen. Dieser Nettoenergiegewinn soll nun den Forschern der NIF gelungen sein.
Bis zu einer industriellen und rentablen Nutzung der Kernfusion sei es aber immer noch ein "sehr weiter Weg", dämpft Lefebvre die Erwartungen und rechnet mit weiteren 20 bis 30 Jahren Forschung und Entwicklung.
Beim jetzigen Experiment hatten 192 Laser eine nur wenige Millimeter große Brennstoffkammer, die winzige Mengen Wasserstoff enthielt, auf mehr als drei Millionen Grad erhitzt und eine Fusionsreaktion herbeigeführt.
Reaktionen auf die Entdeckung
Experten sprechen unisono von einem Durchbruch. "Das beweist, dass das lange verfolgte Ziel, der 'Heilige Gral' der Kernfusion, tatsächlich erreicht werden kann", erklärt der Physiker Jeremy Chittenden vom Imperial College London.
Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger spricht im ZDF heute journal von einem historischen Tag.
Forscherinnen und Forscher haben sich gegen alle Bedenken durchgesetzt und haben das erste Mal die Sonne auf die Erde geholt.
Bettina Stark-Watzinger, Bundesforschungsministerin
Die Entdeckung habe den Weg zu neuen Möglichkeiten der Energieversorgung eröffnet.
Mit den europäischen Partnern werde "eine hohe Summe" in die Forschung auf dem Gebiet investiert. Und die Forschungsministerin hat ambitionierte Ziele: In zehn Jahren werde das erste deutsche Kernfusionskraftwerk ans Netz gehen.
Vorteile der Kernfusion
Kernfusion in großem Maßstab könnte die Energieerzeugung weltweit entscheidend verändern. Anders als bei der Kernspaltung in Atomkraftwerken besteht bei der Fusion keine Gefahr eines nuklearen Unfalls. Bei der Kernfusion entsteht außerdem viel weniger radioaktiver Müll und es werden keine Treibhausgase freigesetzt.
Quelle: AFP, dpa
Mehr zu Atomenergie
Atomkraftwerk-Weiterbetrieb:Bundestag stimmt längerer AKW-Laufzeit zu
29:10 min