Pläne für eine elektronische Patientenakte gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Doch bis heute wird die E-Akte kaum genutzt. Woran es hapert und was die Knackpunkte sind.
Elektronische Patientenakte: Was Versicherte jetzt wissen müssen. Ein Gespräch mit Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht.
Nach der Jahrtausendwende wollte bereits die damalige SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Patientenversorgung ins digitale Zeitalter katapultieren. Doch noch immer wird die E-Akte kaum genutzt. Nun will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen neuen Anlauf nehmen. Worum es geht - und wo die Probleme liegen:
Was bringt die E-Akte Patienten und Ärzten?
In der Akte wäre die gesamte Krankengeschichte eines Patienten per Knopfdruck einsehbar - von Behandlungen, Operationen über Vorsorgeuntersuchungen, Röntgenbildern bis zu verschriebenen Medikamenten. Der große Vorteil: Behandelnde Ärzte könnten auch bei neuen Patienten sofort sehen, was bisher gemacht wurde, wo Risiken liegen und zusätzliche Vorsorge sinnvoll ist. Bei der Verschreibung von Medikamenten könnten sie zudem erkennen, ob unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln drohen.
"Einen ganz großen Vorteil sehe ich darin, dass tatsächlich die Informationen auf einem Server abgelegt sind und die Menschen, die den Patienten behandeln, auch darauf zugreifen können, ohne dass sie ständig den Unterlagen hinterhersuchen müssen", bestätigt auch Dr. Christoph Specht, Arzt und Medizinjournalist.
Wo steht die Patientenakte bisher?
Seit Anfang 2021 können Versicherte die elektronische Patientenakte auf freiwilliger Basis über Angebote ihrer Krankenkassen nutzen. Lauterbach zufolge tun das bisher aber erst weniger ein Prozent der rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Grund sind komplizierte Anmeldeverfahren und teils nicht ausgereifte Apps zur Nutzung.
Eugen Brysch (Vorstand Deutsche Stiftung Patientenschutz) zum Thema "Elektronische Patientenakte"
Wie will Lauterbach das ändern?
Anstatt aktiv die E-Akte beantragen zu müssen, sollen gesetzlich Versicherte sie bis Ende 2024 automatisch bekommen. "Wenn wir nichts tun, kriegen wir sie automatisch. Wir müssten schon aktiv widersprechen", erklärt Specht die sogenannte "Opt-out"-Lösung.
Lauterbach geht davon aus, dass nicht viele Versicherte die E-Akte ablehnen werden. Ein ähnliches Vorgehen in Österreich habe gezeigt, dass nur "ungefähr drei Prozent widersprochen" hätten.
Wie kann ich widersprechen?
Das ist noch offen. Das Widerspruchsverfahren werde noch entwickelt, sagt Lauterbach. Es werde aber auf jeden Fall "sehr unbürokratisch" sein.
Seit Jahren geht es mit der Elektronischen Patientenakte nicht voran. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will diese bis Ende 2024 zur Pflicht machen – auch gegen Widerstände.
Was ist mit Menschen, die keine Apps bedienen können oder wollen?
Sie könnten dennoch von den Vorteilen der elektronischen Patientenakte profitieren, auch wenn sie nicht selbst von überall auf die Daten per App zugreifen können. Denn beim Arzt wäre sie abrufbar.
Wie sieht es mit Datensicherheit und Datenschutz aus?
Christoph Specht weist darauf hin, dass die Daten nur auf deutschen Servern abgelegt werden sollen. So solle die Datensicherheit gewährleistet werden. Auch sensible Daten zur Steuererklärung müssten bereits digital abgegeben werden. "Insofern wäre es mit zweierlei Maß gemessen, wenn wir jetzt meinen, es wären die ersten sensiblen Daten, die da irgendwo hingehen", so Specht. Kritik zum Datenschutz bei der elektronischen Patientenakte kommt nicht nur vom Chaos Computer Club.
Die Daten seien extrem sensibel, so Bijan Moini, Rechtsanwalt bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Details, wie Patienten manche Befunde für den einen oder anderen Arzt vielleicht auch vor dem Zugriff sperren könnten, gebe es laut Specht noch nicht.
Wer überträgt die bisherigen Patientendaten?
Das ist eine der großen Fragen der Reform. Lauterbach räumt ein, dass dies bisher unklar ist. Eine Möglichkeit wären demnach die Hausärzte. Die winkten aber sofort ab: "Diese Zeit ist schlichtweg nicht da", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Markus Beier, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Lauterbach spricht deshalb vage von "anderen Möglichkeiten", die aber "noch nicht spruchreif" seien.
Können meine Daten von Pharmafirmen verwendet werden?
Ja. Ein Ziel der Reform ist es, der Pharmaforschung in Deutschland durch die Bereitstellung von Patientendaten im großen Stil einen Schub zu geben. Allerdings werden die Daten dabei mit Pseudonymen versehen, können den Patienten also nicht mehr direkt zugeordnet werden. Lauterbach versichert, es sei "kein Missbrauch dieser Daten möglich".