Als junge Frau wollte Ellen Tiedtke Schauspielerin werden, eckte in der DDR aber immer wieder an. Dann gelang ihr als "Ellentie" der Durchbruch. Nun ist sie gestorben.
Sie war Schauspielerin, Kabarettistin, Sängerin. Aber egal in welcher Rolle: Ellen Tiedtke eckte mit kritischen Äußerungen über den Alltag in der DDR an. Auf Geheiß der Kulturfunktionäre wurde sie eine Zeit lang fast nirgendwo mehr engagiert.
Moderatorin der Kindersendung "Ellentie"
Dann bekam sie die Chance ihres Lebens: Sie wurde "Ellentie", Moderatorin der gleichnamigen beliebten Kindersendung im DDR-Fernsehen. Die Künstlerin, seit Jahrzehnten schon im Ruhestand, ist am Dienstag im Alter von 91 Jahren in Berlin gestorben. Das bestätigten ihr Biograf, der Verleger Jürgen Klammer, sowie die mit Tiedtke vertraute Autorin Inge Trisch dem ZDF.
Tiedtke, geboren 1930 im damaligen Ostpreußen, stand schon als Kind gern mit Darbietungen im Mittelpunkt. Als Renterin sagte sie der Nachrichtenagentur dpa:
Schwieriger Weg zur Schauspielerei
Dann musste die Familie fliehen, zog nach Schwerin - und für Ellen stand fest: Sie wollte nach dem Abi unbedingt auf einer Theaterbühne stehen. Sie studierte in Leipzig. "In jenen Jahren kamen Leute aus Berlin, um uns anzuschauen. Aber sie sagten uns, dass es in der ganzen DDR keine Stellen am Theater für uns gibt", berichtete sie.
Dann habe einer ihrer Hochschullehrer den Intendanten des Cottbuser Theaters getroffen - und Tiedtke bekam dort einen Drei-Jahres-Vertrag. Danach ging es für ein Jahr nach Frankfurt (Oder) - "und dann hatte ich wieder das Problem: Wohin?"
Tiedtke eckte mit kritischen Äußerungen an
Weil es an den Theatern keine Stellen gab, bewarb sie sich bei der Leipziger Pfeffermühle - und wurde 1956 Kabarettistin. Doch damit wurden die Probleme größer. Im Programm "Rührt Euch" hieß eine Textzeile: "Wir wollen ja nur, dass das Leben so wird wie in der Zeitung." Das gefiel den DDR-Funktionären nicht. Tiedtke berichtete: "Da wurde ein ausgewähltes Publikum reingesetzt, das gebuht hat. Die Bühne wurde gestürmt - und das Programm abgesetzt." Der Vorfall am 15. Dezember 1956 war ein staatlich inszenierter Tumult.
Tiedtke zog nach Berlin und wurde schließlich Ensemble-Mitglied des bekannten Kabaretts Distel. Nach sieben Jahren war aber wieder Schluss. Auf einer Betriebsversammlung hatte sich Tiedtke kritisch etwa über die zwei Direktoren der Kabarett-Bühne geäußert.
Sängerin, Moderatorin, Schauspielerin
Tiedtke kündigte an der Distel - und wurde Sängerin, interpretierte etwa Lieder im Stile Claire Waldoffs. 1964 erschien die Single "Du bist ein feiner Mann/Fahr' doch allein Karussell". Auch in Heinz Quermanns Sendung sang sie - und eckte wieder an: Ein Lied, das sie immer wieder singen sollte, sei "eine Lobhudelei der DDR" gewesen, berichtete sie später. Als sie entschied, es nicht mehr darzubieten, war auch dieser Job passé.
Rückblickend sagte sie später:
Die DDR-Konzert- und Gastspieldirektion habe damals den Kulturinstitutionen verboten, sie zu engagieren.
Durchbruch mit "Ellentie"
Dann kam doch noch der große Durchbruch: Im Jahr 1983 startete im Fernsehen eine Kindersendung mit dem Namen "Ellentie" - mit Tiedtke als witziger wie tollpatschiger Moderatorin. Mit ihren Zöpfen, der Latzhose und dem Ringelpulli sah sie eher aus wie ein Mädchen.
Über die Rolle sagte sie:
Statt als Kabarettistin den Alltag der DDR zu kritisieren, bespaßte sie nun die Jüngsten.
Nach dem Mauerfall wurde die Sendung 1991 eingestellt. Da war Tiedtke 61 Jahre alt. Sie zog sich von der Bühne und auch aus der Öffentlichkeit zurück. "Wenn die Ellentie nicht gewesen wäre, würde ich heute ein bisschen verbittert dasitzen", erzählte die verwitwete Künstlerin vor ihrem 90. Geburtstag im Frühjahr 2020.
Die DDR hat den Anspruch, das bessere Deutschland zu sein. Befreite Arbeiter und eine dem Sozialismus treu ergebene Jugend sollen den Westen schnell überflügeln. Es kommt anders.