Ischinger über Queen: Enorme Strahlkraft für Großbritannien
Interview
Ex-Diplomat Ischinger zur Queen:"Enorme Strahlkraft für Großbritannien"
19.09.2022 | 22:33
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Mit einem großen Staatsbegräbnis hat Großbritannien Elizabeth II. verabschiedet. Warum die Briten stolz auf die Queen sein können, erklärt der frühere Botschafter Ischinger im ZDF.
ZDF: Herr Ischinger, hat Sie das Ausmaß dieser weltweit einmaligen Trauer überrascht?
Wolfgang Ischinger: Es hat mich schon sehr beeindruckt. Richtig überrascht hat es mich nicht. Wir wussten ja, dass man in England solche Traditionen pflegt und von langer Hand vorbereitet.
Wir haben heute den ganzen Tag sehen können, dass das nicht mit heißer Nadel zusammengestoppelt worden ist, was sich da vollzog. Sondern dass das sorgfältigst protokollarisch, logistisch, sicherheitsmäßig von langer, langer Hand geplant gewesen ist. Also: Sehr beeindruckend, wenig überraschend.
Wolfgang Ischinger. Archiv
Quelle: Kay Nietfeld/dpa/Archivbild
... leitet von 2008 bis 2022 die Münchner Sicherheitskonferenz. Vorher war er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, außerdem deutscher Botschafter in Washington und London. Als Botschafter in Großbritannien lernte er Queen Elizabeth II. persönlich kennen.
ZDF: Wieso war das weltweite Interesse so groß - an einer doch recht eingeschränkten Macht, die nach dem Brexit noch isolierter und auch geringer ist?
Ischinger: Da haben Sie vollkommen Recht. Aber ich denke, es ist so: Das, was übrig geblieben ist vom eigentlichen Glanz des früheren britischen Weltreichs, ist eben die Krone. Das ist das Königshaus - und war jetzt für mehr als ein halbes Jahrhundert diese Queen.
Sie ist die Inkarnation der früheren britischen Power und jetzt noch die Inkarnation der britischen Softpower gewesen. In der ganzen Welt bekannt, nicht überall geliebt. Aber doch von sehr, sehr vielen, weit über die britischen Grenzen hinaus, geliebt und bewundert.
Das hat enorme Strahlkraft für Großbritannien weltweit erzeugt.
Und deswegen können die Briten wirklich stolz auf diese langjährige Königin sein.
Eine Ära ist zu Ende: Mit einem großen Staatsbegräbnis haben die Briten Abschied von ihrer Queen genommen. Auch weltweit waren Millionen Menschen am Bildschirm dabei.
ZDF: Ist der Aufwand einer Beerdigung nicht maßlos - angesichts der akuten Sorgen, die die Welt derzeit hat?
Ischinger: Das ist eine berechtigte Frage. Diese Frage war auch berechtigt, als die G7-Staaten bei uns in Deutschland auf Schloss Elmau tagten. Da gab es auch den Vorwurf: Wieso müssen hier Millionen für ein zweitägiges Treffen im Luxushotel ausgegeben werden?
Ich will es mal so formulieren: Die Ereignisse der letzten Tage und insbesondere heute in London haben doch auch einen enormen Symbolcharakter angesichts einer eigentlich zerfallenden Weltordnung, angesichts von Kriegen und vielen Konflikten.
Hier kommt doch mal die Welt zusammen.
Natürlich können wir nicht erwarten, dass aus diesem heutigen Tag jetzt plötzlich Friedenslösungen hervorgehen. Aber zumindest entsteht doch der Eindruck: Man kommt zusammen, man redet zusammen. Man wird in den nächsten Tagen bei den Vereinten Nationen weiterreden. Das gibt doch auch ein bisschen Hoffnung. Und ich denke, das ist das Geld wert.
Das Interview führte Wulf Schmiese im heute journal update.
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