Energieexperte Sieverding fordert ein drittes Entlastungspaket. Mit Blick auf die Energieversorgung mahnt er, Privathaushalte und Wirtschaft nicht gegeneinander auszuspielen.
Müssen Privathaushalte um ihre Energieversorgung bangen? Bei ZDFheute live macht Energieexperte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen klar, dass...
... es gesellschaftlichen Zusammenhalt braucht:
Private Haushalte sollen bevorzugt behandelt werden, so sei das von der Politik vorgesehen, sagt Energieexperte Sieverding. Aber es sei auch "Widerstand aus der Wirtschaft" festzustellen, "genau gegen diese Bevorzugung". Das könne man auch nachvollziehen.
"Niemand hat ein Interesse daran, dass die Wirtschaft in Schieflage gerät, Arbeitsplatzverluste drohen. Aber es ist natürlich auch nicht in Ordnung, das gegeneinander auszuspielen", stellt der Energieexperte fest.
... es eine gute Nachricht ist, dass Energiesparen wieder im Fokus ist:
"Das ist eine der wenigen guten Nachrichten der letzten Monate aus meiner Sicht, dass Energiesparen, Energieeffizienz-Maßnahmen jetzt plötzlich wieder in den gesellschaftlichen Fokus gerückt sind", stellt Sieverding fest. "Wir machen das ja schon seit 20, 30 Jahren, dass wir sagen, wir müssen Energie sparen fürs Klima und für den Geldbeutel, und so richtig interessiert hat das nicht so."
Gerade im Bereich "Energieeffizienz von Gebäuden" habe die Politik zu wenig getan. "Wir haben einen sehr schlechten Gebäudebestand", sagt Sieverding bei ZDFheute live.
... alles beim Energiesparen auf den Prüfstand muss
Insgesamt müssten "alle Maßnahmen, alle Einsatzbereiche, die verzichtbar sind, für ein normales durchschnittliches Zusammenleben" auf den Prüfstand kommen.
"Wir reden sehr viel über Privathaushalte, was sie sparen können, wir reden über Industrie. Und dann gibt es aber auch noch so 30 Prozent Gasverbrauch, etwas mehr sogar, dazwischen. Das sind zum Beispiel alle Nichtwohngebäude: Bürogebäude, der Einzelhandel, die haben ja im Winter immer ganz gerne auch die Türen offenstehen. Das sind dann auch Maßnahmen, die dann einfach nicht mehr in die Zeit passen."
... es ein drittes Entlastungspaket geben muss:
Wie können die Menschen entlastet werden, bei Energiepreisen, die sie nicht mehr bezahlen können? Für Sieverding ist klar, dass es ein "weiteres, erstmal drittes Entlastungspaket vor dem Winter geben wird, was aber dieses Mal dann zielgerichtet wirklich sich an diejenigen richtet, die es wirklich nötig haben".
Damit seien Haushalte gemeint, die "schon armutsbedroht sind", oder solche aus der Mittelschicht, die drohen, in die Armutsgefährdung abzurutschen. "Das müssen wir unbedingt verhindern", betont Sieverding. Hier müsse der Staat eingreifen.
Lesen Sie hier, inwieweit die beiden bisherigen Entlastungspakete die Inflation ausgleichen und wann das Geld ankommt:
- Wie weit reichen die Entlastungspakete?
Die steigenden Preise sind schon lange auf dem Konto sichtbar. In diesen Tagen kommt dort auch das erste Geld aus den Entlastungspaketen an. Inwieweit gleicht es die Inflation aus?
... Putin nach dem Prinzip "Belohnung-Bestrafung" spielt:
In ein paar Tagen wissen wir, ob das russische Gas durch Nord Stream 1 wieder fließt oder nicht. Ist das der Anfang vom Ende der russischen Gaslieferungen? Oder wird Russlands Präsident Wladimir Putin die Waffe Gas weiter nutzen?
Ab heute wird Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten für 10 Tage abgestellt. Die Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.
Sieverding sieht das wie ein "Pokerspiel". Er werde das "Belohnungen-Bestrafungen-System" eine Zeitlang weitertreiben, glaubt Sieverding. Er geht jedoch davon aus, dass Putin nach der Revision "wieder Nord Stream 1 hochfährt, Gas liefert, auch um uns zu signalisieren und hier genau die schwierige Diskussion anzufachen: Wieso? Da sieht man doch, man kann mit dem reden, so schlimm ist er ja gar nicht."
"Und dann bei der nächsten Gelegenheit, wenn wieder irgendjemand in die Ukraine fährt, oder den neuen Botschafter trifft, oder Waffenlieferung, dann werden wir wieder wie kleine Kinder bestraft und dann dreht er uns den Hahn wieder zu. Und ich glaube, in diesem Spiel wird das den ganzen Winter übergehen, und immer wahrscheinlich so haarscharf an der Kante sein, dass wir immer Angst haben, nicht über den Winter zu kommen."
- Gas sparen: Was man heute schon tun kann
Die Politik hat einen Gas-Notfallplan ausgerufen, die Netzagentur warnt vor einem russischen Gasstopp. Was kann jetzt schon getan werden, um sich auf den Winter vorzubereiten?