Erdbeben in Syrien und Türkei: Infrastruktur für Hilfe fehlt

    Humanitäre Lage nach Erdbeben:Weickert: Syriens Nothilfe selbst organisiert

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    Nach den Erdbeben in Syrien und der Türkei ist die humanitäre Lage in der Grenzregion katastrophal. In einigen betroffenen Provinzen gibt es kaum Infrastruktur zur Versorgung.

    Die Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei ist zerrüttet vom Krieg, geplagt von wirtschaftlicher Not und Heimat von Millionen Flüchtlingen. Auf der syrischen Seite der Grenze erschütterte das Beben von der Opposition kontrollierte Regionen. Dort leben rund vier Millionen Menschen leben, die wegen des Bürgerkriegs aus anderen Teilen des Landes vertrieben wurden.
    UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte, 224 Gebäude im Nordwesten des Landes seien zerstört und mindestens 325 weitere beschädigt worden, darunter auch Lagerhäuser für Hilfsgüter für das kriegsversehrte Land. Die UN hatten in Syrien monatlich etwa 2,7 Millionen Menschen mit grenzüberschreitenden Hilfslieferungen unterstützt, die in Folge der Erderschütterungen ins Stocken geraten könnten.
    Im heute journal-Interview sprach Jesco Weickert, Projektleiter der Welthungerhilfe, von einem "improvisierten" Hilfssystem in den Grenzgebieten. Weickert arbeitet sowohl auf syrischer als auch auf türkischer Seite und kennt die Bedingungen vor Ort. In Syrien müsse man mit einer "viel schlechteren Infrastruktur und einer viel schlechteren Ausstattung" als in der Türkei arbeiten.
    Die ohnehin überlasteten Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser im Norden Syriens waren nach Angaben weiterer Rettungskräfte schnell überfüllt. Andere mussten geräumt werden, darunter eine Entbindungsklinik, wie die medizinische Organisation SAMS mitteilte. "Wir befürchten, dass die Zahl der Toten in die Hunderte geht", berichtete der Arzt Muhib Kaddur aus der syrischen Stadt Atmeh.

    Man muss sich das so vorstellen: Das Land hat zwölf Jahre Bürgerkrieg. In den Gebieten, in denen wir arbeiten, hat sich die Nothilfe der syrischen Bevölkerung quasi selber organisiert.

    Jesco Weickert, Koordinator der Welthungerhilfe an der syrisch-türkischen Grenze

    Die wenigen Rettungskräfte auf syrischer Seite seien schlechter ausgestattet als in der Türkei, fügt Weickert hinzu.

    Hunderte verschüttete Familien in Nordsyrien

    Rami Abdel-Rahman, dessen Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte den Konflikt mit Hilfe von Aktivisten seit 2011 verfolgt, spricht von Hunderten noch verschütteten Familien im Norden Syriens. "Die Retter sind sehr wenige, um den Anforderungen dieser Katastrophe gerecht zu werden", sagt er der dpa. Es fehlt an Betten, Medikamenten und Personal. Viele Ärzte und Fachleute sind nach Jahren des Kriegs geflüchtet.
    Auch aus Aleppo gibt es ein Video, in dem mehrere Häuser offenbar bei einem Nachbeben einstürzen. Kinder und Erwachsene laufen schreiend davon, während hinter ihnen Staub über verregneter Straße aufsteigt.
    Marten Mylius
    Für die syrischen Erdbebenopfer fordert CARE-Nothilfekoordinator Marten Mylius internationale Solidarität. Die Menschen bräuchten dringend Medikamente, Decken und warmes Essen.07.02.2023 | 6:55 min

    Syrische Flüchtlinge lebten in Notunterkünften

    Besonders hart trifft die Katastrophe auch die syrischen Flüchtlinge, die im Süden der Türkei teils in notdürftigen Unterkünften wie verlassenen Häusern leben. "Ich dachte, dass die ganze Stadt zusammenstürzt", berichtet Rami Araban von der Hilfsorganisation CARE Deutschland aus der türkischen Stadt Gaziantep, wo rund eine halbe Million syrischer Flüchtlinge lebt.
    Quelle: ZDF, dpa, AP

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