Malik Harris ist 24 und vertritt Deutschland beim ESC an diesem Samstag. Im ZDF-Interview spricht er über seinen Song, den ESC-Favoriten Ukraine und die Angst vorm letzten Platz.
ZDFheute: Sie vertreten am Samstag Deutschland beim Eurovision Song Contest in Turin. Was ist Ihr Ziel? Mindestens Fünfzehnter zu werden?
Malik Harris: Einen konkreten Platz habe ich nicht im Kopf, weil ich den Wettbewerbscharakter des ESC gar nicht so krass sehe. Ich möchte die ganze Reise und den Auftritt genießen und natürlich mein Bestes geben.
ZDFheute: Sie treten mit dem Song "Rockstars" an, spielen Klavier und Gitarre, rappen und singen von den "guten alten Zeiten". Sie sind erst 24, aber wollen wieder jung sein ...?
Harris: Ja, schon. Es ist ein nostalgisches Zurückblicken in die gute alte Zeit. Ich habe den Song geschrieben, nachdem ich eine Folge der Serie "The Office" gesehen hab. Und da sagt ein Charakter: "I wish there was a way to know you're in the good old days before you've actually left them". Dieses Zitat hat viel in mir ausgelöst, weil ich unterbewusst zurückblicke in meine Jugend und die unbeschwerte Zeit.
ZDFheute: Aber Sie sind doch erst 24 ...
Harris: Stimmt. Aber das hat jeder Mensch. Meine Oma ist 86 und wäre gern wieder 50. Meine Mutter ist 50 und wünscht sich, 30 zu sein. Und ich bin Mitte 20 und wäre gern wieder 15.
- Malik Harris vertritt Deutschland beim ESC
Der 24-jährige Sänger Malik Harris singt für Deutschland beim Eurovision Song Contest im Mai. Der Wettbewerb wird in diesem Jahr vom Ukraine-Krieg überschattet.
ZDFheute: Sie haben den Song allein geschrieben. Müsste man für den ESC aber nicht eigentlich ein großes Team engagieren, also erfahrene Songwriter, die Songs für die große Bühne schreiben?
Harris: Das sehe ich anders. Ich finde, dass Musik von Emotionen und Authentizität lebt. Und das geht bei großen Songwriter-Camps oft verloren. Der beste Weg ist meiner Meinung nach, jemanden nach Turin zu schicken, der sein Herz ausschüttet und der etwas zu sagen hat. Ich habe den Song ja gar nicht für den ESC geschrieben. Es ist einer von vielen Songs, die ich schreibe, in den ich mich aber sehr verliebt habe. Die Idee, den Song beim ESC einzureichen, kam dann erst viel später.
ZDFheute: Und ist das nicht eigentlich der falsche Weg? Muss man nicht bewusst einen Song für die große ESC-Bühne schreiben? Oder anders gefragt: Sie stehen in den Wetten, die den Sieger immer ziemlich präzise voraussagen, weit hinten. Haben Sie keine Angst, wieder mal Letzter zu werden?
Harris: Witzig, das wurde ich schon öfter gefragt. Ich finde, man muss die Frage umdrehen. Wenn ich mir vorstelle, Deutschland wäre die vergangenen Jahre immer Erster geworden, dann hätte ich Druck. Also, ich bin da eher entspannt.
Gut, ich möchte natürlich eine bessere Platzierung für Deutschland. Aber beim ESC spielen eigene Gesetze eine Rolle, Deutschland ist da generell nicht so beliebt. Mehr als alles geben kann ich nicht, aber wer weiß: Vielleicht kommt das ja so rüber, dass die Leute sagen: Das kommt bei mir an, das berührt mich und dann gebe ich da mal ein paar Punkte, auch wenn es Deutschland ist.
Deutschland beim ESC in den vergangenen Jahren
ZDFheute: Der ESC ist in diesem Jahr sehr politisch. Die Ukraine ist der haushohe Favorit auf den Sieg, was bestimmt nicht nur an dem Song "Stefania" der ukrainischen Teilnehmer "Kalush Orchestra" liegt. Finden Sie das fair?
Harris: Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Ukraine gewinnt und ich fände das schön. Für mich ist der ESC ein Event, bei dem sich seit Jahrzehnten der ganze europäische Kontinent an einem Abend trifft und Musik zelebriert. In diesem Jahr ist dieser Zusammenhalt ganz besonders wichtig.
Ich muss aber auch sagen, dass ich den Song ziemlich fett finde. Ich feiere ihn extrem, deswegen würde es mich nicht verwundern oder stören, wenn die Ukraine den Titel holt.
Der ESC ist dieses Jahr auch Solidaritätsveranstaltung mit der Ukraine. Deren Beitrag des Kalush-Orchesters gilt bei Wettbüros als Titel mit der höchsten Gewinnwahrscheinlichkeit.
ZDFheute: Deutschland ist als eines der fünf großen Länder für das ESC-Finale am Samstag gesetzt. Sie werden dann vor mehr als 100 Millionen Menschen auftreten. Was soll für Sie danach kommen? Soll der ESC der Booster für Ihre Karriere werden?
Harris: Ich habe gerade mein erstes Album veröffentlicht und war viel in Deutschland unterwegs. Aber natürlich hoffe ich, dass der ESC meiner Karriere einen Schub außerhalb Deutschlands verschafft.
Ich liebe es einfach, auf der Bühne zu stehen und live meine Songs zu spielen. Zwei Tage nach dem ESC geht direkt meine Deutschlandtour los, die wurde wegen Corona viermal verschoben. Die Tour wurde lange vor dem ESC auf Mai gelegt und ich habe gesagt: Diese Tour wird nicht nochmal verschoben, auch wenn sie zwei Tage nach dem ESC losgeht. Das ist mein ganz großes Ziel.
Das Interview führte Dominik Rzepka