Auch für Experten ist rätselhaft, wie sich der Brand in einem Wohnkomplex in Essen so schnell ausbreiten konnte. Drei Bewohner wurden verletzt.
Seit dem frühen Morgen steht in Essen ein Wohnkomplex in Flammen. Das Sturmtief Antonia facht das Feuer zusätzlich an. 39 Wohnungen brennen aus.
Der bei einem Brand am Montag weitgehend zerstörte Wohnkomplex in Essen ist einsturzgefährdet. Derzeit könne auch die Feuerwehr zwei Drittel des Gebäudes aus Sicherheitsgründen noch nicht betreten, sagte ein Feuerwehrsprecher. Deshalb sei es schwer zu beurteilen, wann die Löscharbeiten endgültig abgeschlossen seien.
"Das kann im Inneren immer wieder aufflammen und noch Tage dauern", sagte der Sprecher. Unter Kontrolle habe die Feuerwehr den Brand schon am Morgen gebracht, es gebe aber immer wieder Brandnester. Eine Ausbreitung des Brandes auf andere umliegende Gebäude könne man dagegen mittlerweile ausschließen. Zur Schadenshöhe und erst recht zur Brandursache seien Aussagen noch nicht möglich, da auch die Brandsachverständigen noch nicht ins Gebäude könnten.
Oberbürgermeister Kufen zeigt sich erleichtert
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) äußerte sich erleichtert, dass offenbar niemand ums Leben gekommen sei. Das sei "bei diesem Feuer von diesem Ausmaß nicht selbstverständlich", sagte Kufen der Deutschen Presse-Agentur. Es werde niemand vermisst und zum Glück gebe es bisher nur drei Menschen mit einer Rauchvergiftung - "dank des Einsatzes der Nachbarinnen und Nachbarn, aber auch der Einsatzkräfte unserer Feuerwehren und des Rettungsdienstes". Darauf sei er sehr stolz.
128 Menschen haben durch den Brand ihre Wohnung und viele von ihnen ihr Hab und Gut verloren. Die Mehrzahl der Betroffenen habe sich am Montag selbst eine vorübergehende Bleibe organisiert, 27 Menschen müssten für einen längeren Zeitraum untergebracht werden, teilte die Stadt Essen mit. 35 Wohnungen sind bei dem Feuer komplett ausgebrannt, weitere durch massive Rauchentwicklung oder Löschwasser betroffen.
Stadt Essen hat Spendenkonto eingerichtet
Das Wohnungsunternehmen Vivawest als Eigentümer des Hauses hatte den Bewohnern kurzfristig Zimmer in umliegenden Hotels angeboten. Es hätten sich auch Bürger gemeldet, die den Betroffenen Gästezimmer anböten, sagte eine Stadtsprecherin.
Die Stadt stelle Medikamente, Hygieneartikel und Kleidung für den aktuellen Bedarf zur Verfügung, hieß es in der Mitteilung. Außerdem wurde für die Betroffenen ein Spendenkonto eingerichtet.
Wohnkomplex war Neubau mit Brandschutztüren
Wie ein Polizeisprecher sagte, handelt es sich bei dem Brandobjekt um einen L-förmigen Gebäudekomplex. Das zerstörte Gebäude war ein Neubau von 2015, der gemäß den Bauvorschriften mit Brandschutztüren gegen eine schnelle Verbreitung eines Feuers ausgestattet war.
Die Brandschutztüren seien zuletzt im März 2021 gewartet worden, sagte ein Sprecher des Hauseigentümers Vivawest Wohnen GmbH. Die Dämmung des Hauses erfolge überwiegend mit Mineralfaserplatten, weil diese weniger brandanfällig als Polystyrol-Dämmstoffe seien, so der Sprecher.
Ursache bislang unklar - Polizei will Ermittlungen aufnehmen
Offenbar breitete sich das Feuer von einem Balkon aus. Wie die Feuerwehr mitteilte, sorgte das in der Nacht wütende Sturmtief "Antonia" offensichtlich dafür, dass sich das Feuer dann rasend schnell über die im Wind liegende Fassade und Balkone ausdehnte.
Die Feuerwehr zeigte sich "sehr überrascht" über die massive Brandausbreitung. So etwas habe man noch nie erlebt, sagte ein Sprecher. Normalerweise gebe es in modernen Gebäuden Brandsperren, sodass so etwas eigentlich nicht möglich sei. Warum es in diesem Fall dennoch habe geschehen können, müsse untersucht werden. Die Polizei will möglichst bald Ermittlungen aufnehmen.
180 Menschen in Hörsaalzentrum untergebracht
Aus dem ausgebrannten Wohnhaus in Essen und aus umliegenden Gebäuden wurden etwa 180 Bewohnerinnen und Bewohner in einem benachbarten Hörsaalzentrum untergebracht. Dazu gehörten Kinder, Ältere, Menschen im Rollstuhl, "der komplette Altersquerschnitt", sagte der zuständige Abschnittsleiter Betreuung, Sebastian Smitmans, von den Maltesern. Die Menschen "seien gefasst" und ruhig. Notfallseelsorger würden Gespräche anbieten.
Eine 69-jährige Bewohnerin einer Dachgeschosswohnung erzählte, sie sei am frühen Morgen durch lautes Klopfen an der Haustür geweckt worden. Sie habe sich nur einen Mantel überwerfen und Schuhe anziehen können. "Mein Handy habe ich auf dem Nachttisch liegen gelassen", berichtete sie. Auch ihre Brille sei dort geblieben. Man habe ihr gesagt, dass ihre Wohnung komplett verbrannt sei.
NRW-Ministerpräsident Wüst zeigt sich betroffen
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte sich bestürzt über den Brand. "Die Nachrichten aus Essen sind erschütternd", schrieb er auf Twitter. "Viele Menschen haben über Nacht ihre Wohnung, Hab und Gut verloren".
Sein großer Dank gelte den Einsatzkräften vor Ort, die noch immer gegen das Feuer kämpfen.
Störungen im Berufsverkehr
Wie die Feuerwehr auf Twitter mitteilte, kam es aufgrund der Löscharbeiten zu Behinderungen im Berufsverkehr. Die Segerothstraße und die Friedrich-Ebert-Straße seien voll gesperrt. Den Angaben zufolge wurde auch eine Warnung über die Warnapp NINA abgesetzt. Das Westviertel grenzt unmittelbar westlich an den Essener Stadtkern an.
Erst kürzlich hatte die "WAZ" über eine Serie von Bränden in der Stadt berichtet. Dreimal habe es innerhalb einer Woche im Eltingviertel nördlich des Stadtkerns gebrannt.
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