Die Ukraine gilt als klarer ESC-Favorit. Am Abend dürfte sich ganz Europa mit den ukrainischen Musikern solidarisieren. Doch auch diese Länder könnten den Wettbewerb noch gewinnen.
Alle rechnen mit einem ESC-Sieg der Ukraine. Zurecht? Im ersten ESC-Halbfinale am Dienstag konnte das "Kalush Orchestra" jedenfalls überzeugen.
Eigentlich ist die Sache klar. Wenn am Abend um kurz nach 22 Uhr das "Kalush Orchestra" mit der Startnummer 12 auf der ESC-Bühne in Turin steht, wird die Halle beben. Das Publikum wird ihren folkloristischen Rap- und Pop-Song "Stefania" mitsingen, blau-gelbe Fahnen werden geschwenkt, am Ende wird es heißen: "12 points go to... Ukraine."
In der Tat ist der dritte ukrainische ESC-Sieg nach 2004 (Ruslana: "Wild dances") und 2016 (Jamala: "1944") sehr wahrscheinlich. Seit Wochen steht das Land unangefochten auf Platz 1 in den Wetten. Am Ende dürften Zuschauer aus ganz Europa auch aus Solidarität für das "Kalush Orchestra" anrufen und die Ukraine somit das Publikums-Voting gewinnen.
Warum es auf die Jurys ankommt
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht: Die Stimmen des Publikums zählen nämlich nur zu 50 Prozent. Die anderen 50 Prozent der Punkte kommen von professionellen Jurys. In jedem Land sind das fünf Expertinnen und Experten, in Deutschland etwa Sängerin Michelle und Popstar Max Giesinger. Sie müssen sich an die Regeln des ESC halten und vor allem Kritierien wie Stimme, Songwriting und Gesamteindruck bewerten - Politik darf da eigentlich keine Rolle spielen.
Und es gibt in diesem Jahr stärkere Songs als den ukrainischen. Der charismatische Brite Sam Ryder zum Beispiel überzeugt mit einer grandiosen, fast Freddy Mercury-ähnlichen Stimme. Sein "Space Man" (Startnummer 22) ist ein makelloser und radiotauglicher Popsong. Auch die fantastisch raue Stimme der schwedischen Sängerin Cornelia Jakobs (Startnummer 20) passt perfekt zu ihrer bombastischen Pop-Ballade "Hold me closer".
Das sind die anderen ESC-Favoriten
Deutscher ESC-Sänger gönnt Ukraine Sieg
Und so ist ein denkbares Szenario, dass Großbritannien oder Schweden das Jury-Voting gewinnt und nach der ersten Runde der Punktvergabe vorne liegt. Erst danach werden die Punkte der Zuschauer durch die Moderatoren des Abends verkündet. Dann könnte die Ukraine auf einen Schlag zwar satte 320 Punkte bekommen. Aber wird das reichen? Jurys und Zuschauer haben in den vergangenen Jahren oft sehr unterschiedlich abgestimmt.
Zugegeben: Allzu wahrscheinlich ist das nicht. Denn erstens ist der Song der Ukraine nicht schlecht. Jurys haben keinen Grund, ihn nur auf Platz 7 zu setzen. Und zweitens sind Solidaritätspunkte auch von den Jurys nicht verboten. Die Ukraine hat beste Chancen auf den Sieg. Und für den deutschen ESC-Sänger Malik Harris ("Rockstars") ginge das auch völlig in Ordnung. Er sagt im ZDF:
- Malik Harris: "Stehen an Seite der Ukraine"
Malik Harris ist 24 und vertritt Deutschland beim ESC an diesem Samstag. Im ZDF-Interview spricht er über seinen Song, den ESC-Favoriten Ukraine und die Angst vorm letzten Platz.