Radfahren boomt, auch wegen Corona. Wirklich gerüstet ist Deutschland noch nicht, hat ein ADFC-Test ergeben. Die fahrradfreundlichste Stadt liegt in Westfalen. Und Berlin holt auf.
Zugeparkte Radwege, Konflikte mit Fußgängern, dreckige Spuren: Radfahrer in Deutschland sind unzufrieden. Das geht aus den Ergebnissen des Fahrradklima-Tests 2020 hervor, den der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) vorgestellt hat.
Berlin mausert sich
Die Zufriedenheit liege wie schon vor zwei Jahren nur bei Note 3,9, also "ausreichend", kommentierte ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters die Umfrage. Besonders enttäuschend sei für viele, dass die Corona-Pandemie nicht zu Verbesserungen der Infrastruktur geführt habe. Aber: Es gibt auch Lichtblicke, wie Berlin beweist.
Etwa 78 Millionen Räder gibt es nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums in Deutschland. "Dabei ist die Sicherheit im Radverkehr sowohl innerorts als auch außerhalb der Ortschaften ein wichtiges Thema", heißt es auf der Homepage.
Die Realität sieht anders aus:
Der Verkehrsclub führt das Ergebnis etwa auf Konflikte zwischen Rad- und Autoverkehr zurück.
Barometer der Fahrradstimmung in Deutschland
Auch wenn der Test nicht repräsentativ ist, gilt er als Stimmungsbarometer. Es beteiligten sich rund 230.000 Menschen an der Umfrage und stimmten über die Fahrradfreundlichkeit von über 1.000 Städten ab. Sie verteilten Schulnoten zu Fragen wie: Wo werden viele Räder geklaut? Wie sauber sind die Spuren? Wo gibt es Konflikte mit Fußgängern?
Ergebnis: Der Titel "fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands" geht ans westfälische Wettringen mit der Bestnote 1,96. Wettringen habe viele verkehrsberuhigte Bereiche, guten Anschluss an Schul- und Sportzentren und durchgehende Radverbindungen zu allen Orten in der Nachbarschaft, sagte Bürgermeister Berthold Bültgerds stolz.
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Kein gutes Zeugnis für größere Städte
Auch Kleinstädte wie Baunatal in Hessen oder Rutesheim in Baden-Württemberg wurden mit "gut" bewertet - eine Bewertung, von der Städte mit über 50.000 Einwohnern nur träumen können. Spitzenreiter wie Karlsruhe oder Göttingen erhielten maximal die Schulnote 3. Bremen wurde als beste Großstadt in der Klasse über 500.000 Einwohner mit Schulnote 4 bewertet.
Neben zu schmalen Radwegen (Note 4,7) bemängelten viele Radler bei der Abstimmung, dass Falschparker auf den Radwegen nicht ausreichend kontrolliert würden (Note 4,8). Zudem führten viele Spuren nicht sicher um Baustellen herum (Note 4,7). Das seien chronische Probleme, die sich verfestigten, sagte Peters.
Versäumnisse in der Pandemie - Lichtblick Berlin
Bei der Frage nach Verbesserungen seit Corona, zeigt sich ein vernichtendes Ergebnis: In der Kategorie gab es quer durch alle Stadtgrößenklassen die Gesamtnote 5,0. "Statt Lösungen zu suchen, wurden enorm viele Ausreden gefunden", beklagte Peters.
Dass es auch anders geht, zeigen etwa Düsseldorf, München und vor allem Berlin - die Hauptstadt erhielt einen Corona-Sonderpreis. Die Berliner Befragten nahmen Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit war - etwa durch verkehrsberuhigte Zonen, Poller gegen Autos oder provisorische Spuren, sogenannte Pop-up-Radwege.
Fahrräder und Radwege bekommen immer mehr Platz. Dank Corona-Krise gibt es in vielen Städten nun sogenannte Pop-Up-Radspuren.
Mehr Tempo beim Ausbau der Infrastruktur gefordert
Der Fahrradboom werde weiter wachsen - "Wir brauchen mehr Tempo beim Radnetzausbau (...)", sagte Peters. Sie forderte die Kommunen dazu auf, die Fördermittel des Bundes auch auszuschöpfen.
entgegnete Minister Scheuer.
Zu Beginn des Jahres hatte das Bundesverkehrsministerium das Förderprogramm "Stadt und Land" aufgelegt, damit Länder und Gemeinden Bundesmittel für Radverkehrsprojekte abrufen können: Bis zu rund 660 Millionen Euro stehen bis 2023 bereit. Mit dem Geld sei allenfalls ein Start gemacht, meinte Peters. Auch nach 2023 müssten Gelder für langfristige Projekte zur Verfügung gestellt werden.