Ein Auto rast nahe der Berliner Gedächtniskirche in eine Schülergruppe aus Hessen. Ihre Lehrerin stirbt, es gibt viele Verletzte. Der Fahrer ist gefasst, der Hintergrund unklar.
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Schreiende Menschen, Schwerverletzte, Sirenen: Nahe der Berliner Gedächtniskirche und dem Breitscheidplatz sind am Mittwoch Erinnerungen an den Terroranschlag von 2016 wach geworden. Ein 29-Jähriger raste mit einem Pkw in eine Menschenmenge und erfasste eine Schülergruppe aus dem hessischen Bad Arolsen.
Ihre Lehrerin kam dabei ums Leben, nach derzeitigem Kenntnisstand der Polizei wurden 14 weitere Menschen verletzt, mehrere von ihnen lebensbedrohlich. Es handle sich ausschließlich um Menschen aus der Schülergruppe, mit der die Lehrerin in Berlin unterwegs gewesen war, sagte eine Polizeisprecherin.
Der Fahrer, ein 29-jähriger Deutsch-Armenier, wurde in Gewahrsam genommen. Laut Polizei befand sich der Mann zunächst für Untersuchungen in einem Krankenhaus. Am Donnerstag übernahm die Generalstaatsanwaltschaft Berlin den Fall.
Polizei: Keine Hinweise auf eine politische Tat
Die Hintergründe des tödlichen Zwischenfalls sind noch unklar. Berlins Innensenatorin Iris Spranger sprach am Mittwochabend von einer "Amoktat". "Nach neuesten Informationen stellt sich das heutige Geschehen in der Tauentzienstraße als eine Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen dar", schrieb Spranger auf Twitter.
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik betonte jedoch am Abend im RBB, man ermittele wirklich in alle Richtungen. Psychische Beeinträchtigungen seien zwar nicht auszuschließen, aber alle anderen Hintergründe ebenso wenig. Die Ermittlungen würden von einer Mordkommission geführt. "Hinweise auf eine politische Tat haben wir derzeit so nicht." Unter anderem wurde die Wohnung des Fahrers in Charlottenburg durchsucht. Nach ZDF-Informationen ist der Tatverdächtige vorbestraft.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte zuvor vor Spekulationen gewarnt. Die Polizei werde "seriös ermitteln" und alle Erkenntnisse veröffentlichen.
Interview- "Sehr schwierig, Trost zu finden"
Nach der Fahrt eines Autos in eine Menschenmenge sei es schwer, Trost zu spenden, sagt Berlins Bürgermeisterin Giffey. Es sei aber auch nicht möglich, überall Poller aufzustellen.
Innensenatorin: Plakate in Auto gefunden
Zunächst war von einem "Bekennerschreiben" die Rede, das angeblich in dem Auto des 29-Jährigen gefunden wurde. Ein "richtiges Bekennerschreiben" gebe es nicht, sagte Innensenatorin Spranger. In dem Wagen seien jedoch Plakate mit Äußerungen "über die Türkei" entdeckt worden.
Allerdings ist das Auto nach ZDF-Informationen auf seine Schwester zugelassen, weshalb nicht zwangsläufig ein Zusammenhang zur Tat bestehen muss.
Franziska Giffey sagte im ZDF heute journal, dass noch nicht geklärt sei, ob die Plakate im Zusammenhang mit dem Vorfall stünden, wem sie gehörten und ob dahinter eine politische Aussage stehe.
Der Vorfall am Mittwoch spielte sich nach bisherigem Stand so ab: Der Mann fuhr den Renault-Kleinwagen gegen 10.30 Uhr an der Straßenecke Ku'damm und Rankestraße auf den Bürgersteig des Ku'damms und in die Menschengruppe.
Dann fuhr er auf die Kreuzung und knapp 200 Meter weiter auf der Tauentzienstraße Richtung Osten. Kurz vor der Ecke Marburger Straße lenkte er den Wagen erneut von der Straße auf den Bürgersteig, touchierte ein anderes Auto, überquerte die Marburger Straße und landete im Schaufenster einer Parfümerie.
Augenzeugen berichteten, dass das Auto noch vor- und zurückgesetzt worden sei und mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h gefahren sein soll.
Nach Angaben der Berliner Polizei wurde der Fahrer von Passanten festgehalten und Einsatzkräften übergeben.
Polizei bittet um Hinweise
Die Polizei rief die Menschen dazu auf, keine Bilder vom tödlichen Vorfall an der Einkaufsstraße im Internet zu posten und bat darum, Hinweise und Handyaufnahmen in einem Portal hochzuladen.
Zur späteren Rekonstruktion flog eine Drohne den Weg des Autos ab.
Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei waren mit einem Großaufgebot im Einsatz. Mehr als 130 Polizisten und über 100 Feuerwehrleute versorgten die Verletzten und sicherten den Bereich. Später begannen Mordermittler und Verkehrsexperten der Polizei mit ihren Ermittlungen.
Bestürzung über Auto-Vorfall
Der Berliner Senat, die hessische Landesregierung und die Bundesregierung reagierten schockiert auf das Ereignis und sprachen allen Betroffenen ihr Mitgefühl aus.
Die Anteilnahme im ganzen Land war groß, in einem Gottesdienst in der Berliner Gedächtniskirche gedachten viele Menschen am Mittwochabend der Opfer.
Erinnerungen an Weihnachtsmarkt-Anschlag
Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Berliner Breitscheidplatzes und der Gedächtniskirche, wo 2016 ein Islamist mit einem gekaperten Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt raste. Damals starben zwölf Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Später erlag auch ein 13. Opfer seinen Verletzungen.