Sergey wohnt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Kiew. Sie wollen bleiben, auch wenn ringsum die Bomben fallen: "Wir wollen, dass unsere Kinder spüren, dass das Leben weitergeht."
Familienalltag im Krieg: Der neunjährige Kyrylo und der vierjährige Mark sind zwei fröhliche Jungs: Sie albern herum, spielen und lachen. Der Ältere hatte bis vor Kurzem sogar noch Schulunterricht.
"Letzte Woche hat er das vierte Schuljahr beendet und alle Prüfungen bestanden. Jetzt kann er eigentlich machen, was immer er möchte. Er spielt Computerspiele, schaut sich Cartoons an", erzählt der Vater Sergey Shchelkov.
Eine scheinbare Normalität, die beim Anblick der Zerstörung in Kiew kaum zu begreifen ist. Trotz aller Bemühungen: Der Krieg bestimmt immer wieder das Leben der Familie. Sirenen, Explosionen, Nachrichten über noch mehr Tote.
Fast jeden Abend verschanzen sie sich zum Schlafen in den Hausflur außerhalb der Wohnung. Die dickeren Wände sollen besser vor Raketen schützen. Gerade in den letzten Tagen nahmen die Angriffe in Kiew wieder zu. Und damit auch die Angst.
Auf dem Rückweg Geflüchtete mitnehmen
Ein paar Kilometer weiter in Kiew haben Geflüchtete aus der heftig umkämpften Stadt Tschernihiw in einer Kirche Zuflucht gefunden. Es sind viele Kinder unter ihnen. Pastor Anatoliy Kalyuzhny erzählt: "Gott sei Dank sind sie noch am Leben. Tschernihiw wurde stark bombardiert. In ein paar Tagen werden wir sie in den Westen bringen."
Der 67-Jährige hat seine christliche Freikirche in ein riesiges Hilfszentrum umfunktioniert. Von hier aus schicken sie Lebensmittel, Medizin und vieles mehr in besonders umkämpfte Gebiete des Landes. Auf dem Rückweg nehmen sie Geflüchtete mit.
"Warum wir das alles machen? Weil Jesus auch so gehandelt hat. Jesus hat sich um die Menschen gekümmert. Wie könnte ich jetzt also nur an mich denken?"
Ausgebombt und vertrieben
Kiew leidet unter den russischen Bomben
Auch Yuriy tut, was er kann. Er ist Unfallchirurg und Orthopäde in Kiew. Vor dem Krieg war er auf Sportmedizin spezialisiert. Doch seit vier Wochen versorgt er Kriegsverletzungen. Seine Patienten – meist Zivilisten. Erfasst von tödlichen Explosionen.
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"Jetzt gibt es keine russischen Bodentruppen mehr, nur Bombardement, nur Flugzeuge, die Bomben abwerfen", sagt der Arzt, gezeichnet von tiefen Augenringen.
Er muss eine 24-Stunden-Schicht nach der anderen absolvieren. Diese Arbeit geht an die Substanz. Seine Frau Zoia ist mit den Kindern in den Westen des Landes geflohen. Eigentlich wollte er mit ihnen gehen. Aber sein Pflichtgefühl war stärker: "Nach fünf Tagen bin ich wieder nach Kiew zurückgekehrt. Hier werde ich gebraucht, hier ist meine Arbeit."
Wir haben mit Menschen in der Ukraine gesprochen, die dem Krieg ausgeliefert sind.
Vom Schauspiel zur Bürgerwehr in Kiew
Auch er wird in Kiew gebraucht - ein Freiwilliger der Bürgerwehr. Eigentlich ist er Schauspieler, war regelmäßig im Fernsehen zu sehen. Jetzt zeigt er sich nur noch vermummt, will er nicht mehr erkannt werden, die Waffe in seiner Hand - mehr als nur eine Requisite. Sein altes Leben ist seit dem 24. Februar vorbei.
"Am Abend habe ich noch den Rollentext gelernt, um 7 Uhr am nächsten Morgen sollte gedreht werden. Gegen 5 Uhr hörte ich die Explosionen", erzählt der Freiwillige.
Nun wird er seine Stadt verteidigen - komme, was wolle.
Familie trotzt dem Feind Russland
Sergeys Familie ist davon überzeugt, dass die ukrainischen Streitkräfte den Angreifern standhalten. Gleichzeitig macht sich der Vater Sorgen: "Jedes Mal, wenn wir die Sirenen hören, fragen wir uns: ‚Tun wir noch das Richtige?‘"
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Solange Kiew kein zweites Charkiw oder Mariupol ist, wollen sie die Stadt nicht verlassen.
Sie gehen zum Friseur, freuen sich über frische Croissants im Backofen, Sergey arbeitet weiter als IT-Berater. Sie trotzen der Angst, sie trotzen dem Feind. Und halten an ihrem Leben in der Ukraine fest.
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