Durch Long-Covid erfährt die Erschöpfungskrankheit ME/CFS größere Aufmerksamkeit. Doch bereits seit Jahrzehnten kämpfen Erkrankte für mehr Beachtung, Forschung - und Medikamente.
Seit 15 Jahren leitet Carmen Scheibenbogen die ME/CFS-Sprechstunde in der Berliner Charité. Sie ist eine der wenigen, die in Deutschland zu ME/CFS, besser bekannt als chronisches Fatigue-Syndrom, forschen. Wenn die Professorin in der Vergangenheit Fortbildungen anbot, meldeten sich nur vereinzelt Ärzte an. Heute sind es Tausende.
Plötzlich interessieren sich mehr und mehr Fachleute für diese komplexe neurologische Erkrankung, die so schwerwiegende Symptome hat, dass 60 Prozent der Betroffenen arbeitsunfähig sind.
Jeder Vierte von ihnen kann das Haus gar nicht mehr verlassen. Die Patienten leiden an extremer Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen. Entweder als Dauerzustand oder infolge leichter Belastung.
Betroffene werden häufig nicht ernst genommen
Obwohl die WHO diese Erkrankung bereits vor mehr als 50 Jahren anerkannt hat, sind viele Mediziner mit diesem Krankheitsbild nicht vertraut. Daher nehmen sie die Betroffenen oft nicht ernst oder vermuten eine psychische Erkrankung hinter den Symptomen.
Mit weitreichenden Folgen: Falsche Behandlung, keine Forschung, keine Therapie. Auch die sozialen Folgen sind gravierend; die Erkrankten müssen sich oft jahrelang mit Sozialkassen streiten.
Fatigue-Syndom häufig Long-Covid-Folge
Laut Schätzungen gibt es in Deutschland 250.000 Betroffene - darunter 40.000 Kinder und Jugendliche. Doch es werden immer mehr werden, denn mit der steigenden Zahl an Corona-Infizierten und somit Post-Covid-Patienten nimmt auch die Zahl der ME/CFS-Betroffenen zu.
"Wir wissen, dass ME/CFS bei einem Teil der Long-Covid-Patienten auftritt", so Carmen Scheibenbogen.
Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, Schätzungen zufolge aber erkrankt jeder Zehnte nach einer Corona-Infektion an Post-Covid und davon zehn bis 20 Prozent an ME/CFS.
"An Medikamenten haben wir bisher nur solche zur Verfügung, mit denen wir die Symptome behandeln können, wie zum Beispiel Schlafstörungen oder Schmerzen. Was wir aber brauchen, sind Medikamente, die gezielt an den Ursachen ansetzen", sagt Carmen Scheibenbogen.
Immer mehr eigentlich "genesene" Menschen klagen nach ihrer Corona-Erkrankung über weitere Symptome. So auch Lena Kortenbusch - sie leidet am Fatigue-Syndrom.
Zu wenig Forschungsgelder
Endlich stellt auch der Bund mehr Mittel für die Forschung zur Verfügung. Doch diese Gelder reichen bei Weitem nicht aus. Es gibt bereits Medikamente, die möglicherweise helfen könnten, doch es müssen noch dringend klinische Studien durchgeführt werden.
Außerdem fehlt es an Kompetenzzentren und Ambulanzen, denn die wenigen Fachleute können den Ansturm an Patientinnen und Patienten kaum bewältigen. Es ist also noch ein langer Weg - durch Corona bekommt das Krankheitsbild endlich mehr Aufmerksamkeit.